1654 - Komm in meine Totenwelt
Klinik sind, müssen sie sich noch im Haus befinden.« Ich deutete gegen die Decke. »Möglicherweise in einem der Zimmer, in dem die Sterbenden liegen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als jeden Raum zu durchsuchen.«
Suko hob die Schultern, was ich als Zustimmung deutete.
Wenn ich recht darüber nachdachte, dann konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass die Carpenters die Klinik verlassen hatten. Dafür gab es keinen Grund. Wichtig war, dass sich Suzie hier auskannte. Sie hatte hier gearbeitet. Möglicherweise hatte sie den Wunsch verspürt, sich um den einen oder anderen Kranken zu kümmern, was ich in ihrer Situation zwar nicht nachvollziehen konnte, aber durchaus im Bereich des Möglichen sah.
Dann hörten wie die Echos der Tritte oben auf der Treppe. Es war nur eine Person, die nach unten kam, das erkannten wir Sekunden später, und diese Frau war uns nicht unbekannt. Sie hatte uns die Tür geöffnet, und von Suzie Carpenter war sie mit dem Namen Clara angesprochen worden. Weshalb sie nach unten kam, wussten wir nicht, aber wir würden es erfahren.
Die resolute Krankenschwester hatte die Treppe noch nicht ganz hinter sich gelassen, als wir uns vor die erste Stufe stellten, um sie in Empfang zu nehmen.
Noch auf der Treppe blieb sie stehen und nickte uns zu. »Ach, Sie sind ja noch da.«
»Wie Sie sehen«, sagte Suko.
Die Brauen auf der Stirn der Frau schoben sich zusammen. »Und? Was hält Sie noch hier? Haben Sie mit Dr. Mahony gesprochen?«
»Das haben wir. Aber um sie geht es nicht«, fuhr Suko fort. »Uns geht es um die Carpenters. Sie haben hier auf uns warten sollen, aber wie Sie sehen, sind sie nicht mehr da.«
»Das schon.«
»Sind sie denn noch im Haus?«
Schwester Clara nickte Suko zu. »Ja, das sind sie. Ein Patient muss erfahren haben, dass Suzie sich im Haus befindet. Er hat mich gebeten, sie zu ihm zu rufen. Das habe ich getan, und jetzt ist sie bei ihm.«
Ich fragte: »Wie heißt der Patient?«
»Peter Dermont. Er wird die nächste Nacht nicht mehr erleben. In den letzten Minuten seines Lebens wollte er nicht allein sein. So habe ich Suzie zu ihm geschickt.«
»Und in welchem Zimmer liegt er?«
Clara deutete die Treppe hoch. »Wenn Sie den Flur erreicht haben, ist es das zweite auf der rechten Seite. Aber bei allem, was recht ist, was wollen Sie dort? Da liegt ein Mann von fast neunzig Jahren im Sterben, der seinen Tod in Würde erleben will. Geben Sie ihm diese Chance doch. Sie würden nur stören.«
»Das ist uns klar«, bestätigte ich, »aber manchmal gibt es Situationen im Leben, wo gewisse Grenzen überschritten werden müssen. Genau das ist hier der Fall.«
Clara schüttelte den Kopf. »Muss ich das denn verstehen?«
»Nein, in diesem Fall nicht. Ich möchte Sie nur bitten, sich zurückzuhalten. Das heißt: Sie lassen uns gehen.«
»Bitte, wenn Sie wollen.«
»Ja, das muss sein.«
Suko wollte noch etwas wissen. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, das aus der Reihe tanzt und wichtig für uns sein könnte?«
Clara überlegte. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein, es ist alles normal.«
»Okay.«
Sie schaute uns noch mal an und trat zur Seite, damit wir sie passieren konnten.
Die Carpenters befanden sich also noch in der Klinik. Ein Patient wollte Suzie an seinem Sterbebett haben, und wir waren gespannt darauf, ob die beiden nicht auch einen anderen und ungebetenen Besuch bekommen würden…
***
Vor der Tür, hinter der der todkranke Peter Dermont lag, blieben die Carpenters stehen. Beide waren sehr konzentriert. Suzie schaute gegen die Tür und ihr war anzusehen, dass sich ihre Gedanken schon in der nahen Zukunft befanden.
»Möchtest du nicht hineingehen?«, fragte Al und unterbrach damit die Stille.
»Doch, das schon…«
»Aber?«
Sie holte tief Luft. »Bitte, Al, es geht nicht gegen dich. Aber ich frage mich, ob es nicht besser ist, wenn du hier draußen auf mich wartest.«
»Warum denn?«
Sie hob unbehaglich die Schultern. »Es ist nicht jedermanns Sache, mit einem Sterbenden zusammen zu sein und…«
»Du bist doch bei mir. Und lass dir gesagt sein, Suzie, ich bin auch in meinem Job einiges gewöhnt. Ich werde bestimmt nicht aus den Pantinen kippen. Außerdem solltest du diese Totenfrau und das Skelett nicht vergessen.«
»Das tue ich auch nicht.«
»Ich könnte dich beschützen. Ich werde die Augen offen halten.«
»Gut.« Sie streichelte noch mal seine Hand, dann drückte sie die Klinke der Tür nach unten.
Sekunden
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