1658 - Lyndaras Kämpfer
Schwerkraft auf Ertrus betrug das 3,4 fache dessen, was die Menschen der Erde ertragen konnten; und so kam es, daß ein umweltangepaßter Schlag von Menschen entstand, die Ertruser. Im Durchschnitt 16 Zentner schwer, mit Überlebensfähigkeiten ausgerüstet, die ihrer Extremwelt entsprachen. Seitdem brach die Elite der ertrusischen Kämpfer und Kosmonauten in die Fremde auf, um sich zu beweisen.
Ein abenteuerlustiges Völkchen sind wir, dachte Lyndara. Aber was kann eine Kämpferin tun, wenn der Feind nicht faßbar ist? Wenn der Gegner in dir selbst zu stecken scheint? Wenn die Dämonen dich von innen absorbieren, wenn du alle Kräfte aufwendest, nur um bei klarem Verstand zu bleiben ... „Funksprüche!" rief Datarung. „Sie haben uns!"
Lyndara ballte die Fäuste. Sie drehte sich wie in Zeitlupe um, und ihr Blick fiel auf das zusammengekauerte Männchen im Kommandantensessel. „Mordrer Keyn Haitabu ... Jetzt bist du an der Reihe. Und ich rate dir: Halte dich wortwörtlich an den Text, den wir besprochen haben. Versuch einen Trick, und ich zerquetsche dich. Zeig nur die Spur von Angst, und es ist dein letzter Fehler. Haben wir uns verstanden?"
Mit diesen Worten war Lyndara nahe an den Patriarchen herangerückt, der vor Schrecken kaum zu atmen wagte. „Jaja", beeilte sich der Springer zu versichern. Er kam wieselflink auf die Beine, umkurvte Lyndara mit kleinen Schritten und stellte sich vor dem Erfassungsbereich der Kamera in Positur. Er war blaß, auch nervös, wirkte aber keinesfalls verdächtig.
Lyndara nahm den Platz am Funkgerät ein. Einer ihrer Finger lag auf dem Sensor, der den Kontakt binnen einer tausendstel Sekunde unterbrechen konnte. Dieser Waschlappen hatte keine Chance. „Datarung!"
Ihr Gefährte pegelte den Sender der HAITABU auf die Rufsignale ein. Ein Bildschirm flammte auf, gleichzeitig ging der Patriarch auf Sendung. „Mein Name ist Mordrer Keyn Haitabu", meldete er sich. „Dieses Schiff ist die HAITABU.
Wir bringen wertvolle Fracht für Mimas."
„Wir haben euch erwartet!" rief die Frau am anderen Ende. „Auf Mimas ist alles bereit.
Braucht ihr Hilfe?"
„Noch nicht." Die Pupillen des Springers irrten für den Bruchteil einer Sekunde ab, doch er unternahm nicht den geringsten Versuch, Lyndaras Anweisungen zu ignorieren. „Die HAITABU ist flugfähig."
„Ich lasse einen Platz in den Schwebedocks von Jupiter reservieren.
Wie geht es der >Fracht< ?"
„Verwirrt, aber gesund und munter."
„Gut. Euer Zielhafen ist Mimasdrei. Ihr erhaltet Peilzeichen."
Damit war die Verbindung unterbrochen. Datarung nahm sofort den Strom weg, und Lyndara löste ihren verkrampften Griff, mit dem sie die nächste Sessellehne umschlossen hatte.
Scheinbar lässig scheuchte sie Mordrer Keyn Haitabu in seinen Sessel zurück. „Das war ganz gut, Patriarch."
„Kann ich euch noch weiter helfen?" erbot sich der dünnbärtige, selbst für einen Springer viel zu mickrigen Mann. Sein Gesicht war eine hinterhältige Grimasse, sein Plan leicht durchschaubar und erbärmlich. „Rühr dich nicht vom Fleck, Mordrer. Es könnte dein Tod sein. Du wirst keine Gelegenheit für eine Warnung bekommen."
In der Zentrale hielten sich nicht mehr als zwölf Springer auf, darunter Mordrer jr., Keyn jr., Kappar und Ramsar, vier der Söhne des Patriarchen. Im Notfall hätte die Bordsyntronik das Schiff auch allein gesteuert, doch es gab keine Besatzung, die sich darauf verlassen hätte.
Lyndara selbst führte die Oberaufsicht. Dazu kamen Datarung am Orterstand, Nounser als Pilot, außerdem Krellin und Seyna für den Fall der Fälle. Die restlichen zehn Ertruser hielten im Schiff verteilt Wache.
Innerhalb des Systems reihte sich die HAITABU in den geregelten Flug der vielen hundert Schiffe ein. Ihre Kurse kreuzten sich, führten an den äußeren Planeten Uranus und Neptun vorbei, und eine gute Stunde später bog die Springerwalze in die Saturnbahn ein. Auf den Schirmen der Fernoptik erschien eine leuchtende Scheibe. In weitem Abstand kreisten die berühmten Ringe des Saturn. „Peilsignale von Mimas!" dröhnte Datarung. „Kurs optimal. Wir kommen zwischen Mimas und Titan herein."
„Wachschiffe?"
„Die üblichen Forts."
Lyndara verfolgte atemlos den Kurs der HAITABU. Ihre Aufregung war einer Kämpferin unwürdig, aber sie konnte nichts dagegen tun, nicht in diesem Zustand der Erschöpfung. Sie brauchte so nötig wie Atemluft eine Chance, sich auszutoben. Das würde Kräfte mobilisieren.
Die Stille im Schiff zerrte
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