1660 - Geistersturm über London
durch die Reifen der Autos platt gefahren worden und war jetzt dabei, sich in einen weichen und rutschigen Matsch zu verwandeln.
Ich wollte vom Haus aus nicht so schnell gesehen werden und nutzte die Deckung der Bäume aus. Zwar trug ich höhere Schuhe, was nichts brachte, denn schon bald spürte ich über den Rändern meine Socken feucht werden. Das war mir egal. So etwas störte mich nicht. Mir kam es darauf an, dass ich Jane Collins fand und ihr möglicherweise beistehen konnte. Einmal hatte es nicht geklappt. Da war die Totengöttin stärker gewesen und hatte mich paralysiert. Noch jetzt fragte ich mich, warum sie mich nicht getötet hatte. Möglicherweise hatte sie mich nicht ernst genommen. Sollte ich noch mal in die Lage hineingeraten, würde sie anders reagieren, das stand fest. Und ich wollte alles daransetzen, dass es nicht dazu kam.
Ich hielt mich nicht lange auf der anderen Straßenseite auf. Jane Collins lebte in einer Straße, die in der Nacht so gut wie nicht befahren wurde, und auch tagsüber konnte man sie nicht eben als verkehrsreich bezeichnen. So musste ich nicht befürchten, von einem Wagen erwischt zu werden, wenn ich die Straße überquerte, was ich jetzt so schnell wie möglich tat.
Ich erreichte die andere Seite unbehelligt. Der Schnee hatte mich nicht ins Rutschen gebracht.
Jetzt ging ich auf der richtigen Seite. Es war auch nicht mehr weit bis zu meinem Ziel. Nur musste ich auf den Schnee Rücksicht nehmen, der den Gehsteig in eine Rutschbahn verwandelt hatte.
Janes Haus rückte näher. Es war gut, dass ich mich als einziger Mensch auf dem Bürgersteig befand. Niemand kam mir entgegen, an den Fenstern sah ich auch niemanden, und meine Schritte wurden langsamer, als ich in die direkte Nähe des Hauses kam.
Ich dachte daran, wie oft ich meine Freundin Jane Collins schon einen Besuch abgestattet hatte. Das war nicht immer nur locker gewesen. Vor und in diesem Haus hatte es oft Kämpfe gegeben, und mir fiel auch Sarah Goldwyn, die Horror-Oma ein, der das Haus zuvor gehört hatte und die auch darin ermordet worden war. Bei dem Gedanken spürte ich einen bitteren Geschmack im Mund. Den Vorgarten behielt ich bereits im Auge. Auch dort wurde der Schnee an den Rändern weniger. Zur Mitte hin sackte er zusammen, und er taute auch auf der Karosserie des Golfs, den Jane fuhr.
Ich wurde noch vorsichtiger und blieb sicherheitshalber stehen. Aus einem schrägen Blickwinkel beobachtete ich das Haus, das eingeklemmt zwischen zwei anderen stand.
Es war nichts Verdächtiges zu entdecken, so ging ich weiter. An die knirschenden Geräusche hatte ich mich gewöhnt, die hörte ich gar nicht mehr. Es waren nur noch wenige Meter, bis ich vor dem Haus stand. Da hielt ich an. Zwischen mir und dem Mauerwerk lag nur noch der mit Schnee bedeckte Vorgarten.
Ich sah die Haustür.
Ich sah auch die Fenster, die sich auf den Etagen verteilten. Wie oft hatte ich in der Küche gesessen und durch die Scheibe nach draußen geschaut. Der kleine Raum lag unten, und jetzt konzentrierte ich mich auf das Fenster. Der fallende Schnee hatte die Scheibe schmutzig werden lassen, sodass meine Sicht getrübt war. Mein Blick wanderte höher zu den anderen Fenstern, und auch dort war nichts zu sehen.
Das Haus schien menschenleer zu sein, woran ich nicht so recht glauben wollte. Ich ging davon aus, dass man mich inzwischen gesehen hatte, aber Jane Collins war nicht gekommen, um die Tür zu öffnen. Konnte sie nicht? Wollte sie nicht? Es gab vorerst keine Antwort, denn die musste ich mir selbst holen. Und so betrat ich den Vorgarten, ging durch den weicher gewordenen Schnee und näherte mich der Haustür.
Ich spürte, dass mein Herz schneller klopfte. Meine Gedanken konnten sich nicht von Jane Collins lösen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass sie sich im Haus befand, nur wohl nicht in einer Position, wie ich sie mir gewünscht hätte. Der letzte Schritt. Für einen Moment verkrampfte ich mich, als ich dicht vor dem Eingang stehen blieb. So wie jetzt hatte ich mich bei einer Ankunft noch nie gefühlt. Ein Kribbeln rann von meinem Hals entlang nach unten. Ich hatte sogar das Gefühl, einen schwachen Schweißausbruch zu erleben… Klingeln?
Ja, denn eine andere Möglichkeit blieb mir nicht. Falls man mich nicht schon entdeckt hatte, musste ich mich auf diese Weise bemerkbar machen. Dazu kam es nicht.
Denn genau in diesem Moment wurde die Tür von innen aufgerissen und brachte mich in eine völlig neue Situation…
***
Ab jetzt
Weitere Kostenlose Bücher