1660 - Geistersturm über London
einkalkuliert worden, denn ihm ging es einzig und allein um die Totengöttin. Sie hatte ihre Flughäute ausgebreitet. Auch wenn sie auf dem Fleck stand, mussten sie bewegt werden, um fliegen zu können. Das passierte nicht mehr, seit Suko das magische Wort gerufen hatte.
Sie blieb auch nicht in der Luft stehen, denn die Erdanziehung ließ sich von der Magie nicht überwinden.
Und so fiel die Totengöttin der Straße entgegen und prallte auf die Eisfläche. Der Laut war für Suko nicht zu überhören. Er vernahm sogar ein Knacken. Fünf Sekunden hatte Suko Zeit, in denen es für die andere Seite nicht möglich war, sich zu bewegen. Er durfte seine Gegnerin nicht töten. Erst wenn die Spanne um war, konnte er zuschlagen.
Er rannte-los. Es war gefährlich. Er wollte nicht ausrutschen und schlidderte mehr, als dass er ging. Er hoffte, dass die Zeitspanne ausreichte, und hielt als Waffe seine Dämonenpeitsche in der Hand. Aber damit durfte er erst zuschlagen, wenn… Die fünf Sekunden waren um.
Genau in dem Augenblick bewegte sich die Totengöttin wieder. Ob sie irgendwelche Knochen gebrochen hatte, war für Suko nicht zu erkennen. Auf keinen Fall rechnete er mit ihrer Hilflosigkeit, und deshalb drosch er sofort mit der Peitsche zu.
Die drei Riemen erwischten den Kopf und den Körper. Unzählige Schwarzblüter hatte Suko bereits mit der Peitsche getötet. Hier war er unsicher, ob er es schaffte, dieses Wesen zu töten.
Aber die Graue schrie auf!
***
Den Schrei hörte auch ich!
Dass auch mich die Magie von Sukos Stab für fünf Sekunden außer Gefecht gesetzt hatte, war mir nicht gegenwärtig. Mit einem Blick hatte ich erkannt, wie die Dinge lagen.
Am Boden sah ich die Totengöttin, die von einem Schlag mit der Dämonenpeitsche getroffen worden war. Ob diese Macht ausreichte, stand für mich nicht fest. Ich wollte mich auch nicht darauf verlassen und dachte daran, dass mein Kreuz die ultimative Waffe gegen die Kreaturen der Finsternis war. Es signalisierte den Sieg des Lebens über den Tod, und das passte auch in die Zeit der tiefsten und dunkelsten Vergangenheit.
»Weg!«, schrie ich Suko zu, der sofort reagierte und schnell zur Seite huschte. Dann war ich da..
Die Totengöttin kam hoch. Ihr Körper warf an einigen Stellen Blasen, was mich nicht kümmerte. Ich wollte sie vernichten und warf mich auf sie, um ihr mein Kreuz mitten ins Gesicht zu pressen.
Es war nicht zu verfehlen. Ich hörte ihr wütendes Aufheulen. Unter mir zuckte der Körper, und auch das Zischen in ihrem Gesicht drang an meine Ohren, als wäre dort etwas Kaltes auf eine heiße Platte gefallen.
Sie schüttelte den Kopf, und ich stand schnell wieder auf. In ihrer Nähe blieb ich stehen, bereit für einen zweiten Angriff.
Der erfolgte nicht, denn mein Kreuz hatte ganze Arbeit geleistet. Und jetzt erkannten wir, dass wir eine Kreatur der Finsternis vor uns hatten. Ein Geschöpf, das zwei Gesichter hatte. Eines, das wir schon kannten, und ein zweites, das echte, das jetzt zum Vorschein kam, als sich die graue Haut auflöste. Es sah dunkel aus, aber das war es nicht. Suko leuchtete es an. Im Strahl der Lampe schimmerte durch die noch bestehende dünne Haut der Kopf einer Schlange durch. Grünlich, mit einem platten Maul, eine Zunge, die immer wieder hervorstieß und plötzlich abfiel, als hätte man sie mit einer Schere durchgeschnitten. Auch der Schlangenkopf sackte nach vorn und begann sich aufzulösen. Die Kraft rann auch aus dem alten Körper, und jetzt war uns allen klar, dass es die Totengöttin nicht mehr gab.
Wir schauten noch zu, wie sich der Kopf der Schlange allmählich auflöste. Der Körper blieb der eines normalen Menschen, und auch er hatte keine Chance, sich noch mal zu erheben. Zurück blieben geleeartige Reste, die sich mit dem Schmelzwasser vereinigten und in den Gully liefen.
»Ja«, sagte Jane Collins, »das ist es also gewesen.« Sie schüttelte den Kopf. »Eine Schlange. Für viele Menschen das Ursymbol des Bösen.«
»Und in diesem Fall hat es sogar gestimmt«, sagte ich, bevor ich eine erleichterte Jane Collins in meine Arme schloss…
ENDE des Zweiteilers
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