1672 - Die Insel
schaute sich immer wieder um. Dann hörte er meinen Ruf, sah mich und tuckerte auf mich zu. Er streckte einen Arm über Bord, sodass ich seine Hand greifen konnte, die mich beim Klettern unterstützte, denn es war nicht so leicht, den glatten Wulst zu überwinden.
Seinem entsetzten Blick hatte ich angesehen, dass er wusste, was passiert war. Er fragte nicht, sondern ließ mich erst mal zu Atem kommen. Ich lag flach auf dem Boden, saugte Luft in meine Lungen und keuchte wie ein Kranker.
Schließlich hatte ich meine Schwäche überwunden und stemmte mich von dem Wulst ab. Die Kleidung hing schwer und nass am Körper. Ich fror und zitterte in einem.
»Was ist passiert, John?«
»Du kannst fahren.«
»Und Lucy?«
Ich kniete mich hin, senkte den Kopf und schüttelte ihn.
»Keine Chance mehr, sie zu retten?«
»Nein, Suko, die andere Seite war stärker. Diesmal hat die Hölle gewonnen.«
Er gab mir keine Antwort, aber ich wusste; dass er daran zu knabbern hatte, ebenso wie ich…
***
Wir erreichten den Hafen ohne Probleme. Mir ging es nicht besonders, ich schlug immer wieder gegen meinen Körper, um in Bewegung zu bleiben. Bis auf die Haut war ich nass, und ob ich es wollte oder nicht, meine Zähne schlugen aufeinander. Es war uns egal, ob wir angestarrt wurden, als wir zu unserem Wagen gingen. Suko schaltete sofort die Standheizung ein und sagte: »Du brauchst trockene Klamotten.«
»Woher nehmen und nicht stehlen?«
»Wir fahren zum Haus der McMillans.«
Zitternd gab ich meine Zustimmung.
Auf der Fahrt sprachen wir nicht. Ich war über die Wärme der Heizung froh, und meine Gedanken waren bei Lucy McMillan. Wir hatten es nicht geschafft, sie zu retten, das machte mir ziemlich zu schaffen, aber auch der Fall war nicht gelöst. Es gab diese Teufelspiraten nach wie vor, und ich beschäftigte mich gedanklich schon damit, der Insel einen erneuten Besuch abzustatten. Diesmal nicht mit dem Boot. Wir würden uns einen Hubschrauber besorgen und uns noch mal zum Kampf stellen. Den Gedanken, dass die Brut überlebt hatte, konnte ich kaum ertragen.
Suko hielt vor dem Haus der McMillans. »Aussteigen, Alter.«
Mit der nassen Kleidung am Körper schraubte ich mich aus dem Wagen. Suko hatte die Haustür bereits geöffnet und war schon vorgegangen. Er winkte mir zu und erklärte, dass alles okay war. Dann drückte er den Licht-Schalter. Es wurde hell. Der Strom war wieder da. Möglicherweise hatte sein Ausfall nichts mit dem Auftauchen der anderen Seite zu tun.
Ich fand ein kleines Bad, in dem ich meine nassen Klamotten auszog. Suko hatte mir versprochen, die Augen offen zu halten, und so stellte ich mich unter eine heiße Dusche.
Die Kälte wurde weggespült. Nur nicht meine trüben Gedanken und das Wissen um eine Niederlage. Ein toter Mensch lag noch hier im Haus. Wir hatten gedacht, die Tochter des Toten retten zu können. Es war uns nicht gelungen. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn Lucy nicht mit uns gefahren wäre, aber darüber nachzudenken war einfach nur müßig. Wir mussten uns mit den Gegebenheiten abfinden.
Ich trocknete mich ab, nibbelte mir die Haut dabei rot und schaute auf meine Kleidung, die ich über die Heizung gehängt hatte, die noch nicht ausgeschaltet worden war. Trocken hatte ich sie nicht bekommen. Sie war zwar nicht mehr so nass, aber feucht, und auf der Haut fühlte sie sich nicht eben angenehm an. Ersatzklamotteh hatte ich nicht, und so musste ich mich in mein Schicksal fügen.
Suko wartete im Wohnraum auf mich. Er stand am Fenster. Dort hatte er den besten Blick aufs Meer und sogar bis zur fernen Insel hin, die von den Piraten, besetzt war und wo die Hölle einen Stützpunkt errichtet hatte.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich.
»Nichts Neues.«
»Womit rechnest du denn?«
Suko runzelte die Stirn. »Na ja, ich weiß nicht, ob sie schon aufgegeben haben. Es kann sein, dass sie Blut geleckt haben und nun darangehen, uns zu vernichten. Bei Lucy haben sie es ja geschafft.«
Ich stellte mich neben ihm. »Es will mir nicht in den Kopf, dass wir uns so haben abspeisen lassen. Vielleicht hätten wir es auf der Insel zu einem Kampf kommen lassen sollen. Wir besitzen Waffen, denen sie nicht gewachsen sind. So aber haben sie uns auf die Verliererstraße geschickt.«
»Wegen Lucy, meinst du?«
»Auch. Aber nicht nur. Sie waren uns überlegen, das müssen wir zugeben. Es war ihre Insel, und das wird sie wohl auch leider bleiben, wenn wir nichts unternehmen.«
»Das hört sich an, als
Weitere Kostenlose Bücher