1673 - Die Offenbarung der Veego
sich ein anderes Problem.
Er konnte nicht mehr fliegen, er war schwer und plump geworden und fiel um, als er einen ersten unbeholfenen Schritt versuchte.
Der Schock war so groß, daß er beinahe wieder geflohen wäre, aber er riß sich zusammen. Er rappelte sich wieder hoch, und - auf die Arme gestützt - versuchte er ein zweites Mal aufzustehen und auch stehen zu bleiben. Er schwankte ein wenig unsicher hin und her, aber er stand.
Vorsichtig unternahm er den ersten Schritt, wedelte heftig mit den Armen, hielt stand und ging den zweiten Schritt. Es klappte!
Er verharrte einen Moment, um zu verschnaufen, und sah sich neugierig um. Er hatte durch Zufall richtig gewählt und eine Welt gefunden, die warm und freundlich war; eine rötliche Sonne strahlte von einem türkisfarbenen Himmel, Gras wiegte sich im leichten Sommerwind, am Horizont sah er Baumgruppen. Vor ihm lag ein See. Dorthin mußte er, um sich erst einmal in aller Ruhe betrachten zu können.
Zunächst konnte er nur sehen, daß er zwei lange, schlanke Beine und zwei Arme mit feingliedrigen, fünffingrigen Händen besaß; außerdem trug er merkwürdige Sachen (die er später als „Kleidung" im gesamten und viel später im einzelnen als „schwarzen Minirock, hautenges, knallgrünes, ärmelloses Leibchen, grellorangefarbene Strümpfe und knöchelhohe Schnürstiefeletten< definieren konnte). An dem breiten schwarzen „Gürtel" um die Taille war ein rechteckiger kleiner Kasten befestigt, der nicht abgenommen werden konnte. Sein Datenspeicher war in eine wuchtige goldfarbene, mit verschnörkelten Linien verzierte Armspange integriert, die seinen linken Unterarm fast gänzlich bedeckte. Einige dünne, unzerbrechliche Ketten führten vom Handgelenk über den Handrücken und wurden in einem Ring am Mittelfinger zusammengefaßt. An diesen Kettchen hingen mehrere verschiedenfarbige Kristalle, die je nach Wetterlage oder Stimmung des Trägers die Farbe wechseln konnten.
Yevo machte sich mit den Armen rudernd auf den Weg zum See; seine Beine gewannen rasch an Sicherheit, und so erreichte er das Wasser, ohne einmal hinzufallen. Langsam und vorsichtig ging er in die Knie und beugte sich vornüber, um sich zu betrachten.
Dichte, kurze knallrote Haare, die verwegen in alle Richtungen abstanden, umrahmten einen leicht ovalförmigen Kopf. Das Gesicht war schmal, mit hohen Wangenknochen, zwei großen tiefblauen Augen, einer schmalen Nase und einem vollen Mund. „Sinnlich „ sollte dazu später einmal ein männlicher Zweibeiner sagen.
Der Leib war, soweit Yevo das schon beurteilen konnte, wohlgeformt, abgesehen von den beiden merkwürdigen kleinen Höckern im oberen Drittel, unter denen das Schrittorgan, zu dem der Energiekern jetzt geworden war, leuchtete. Der ganze Körper war haarlos (abgesehen von den Haaren oben am Kopf), nur mit einer glatten, hellen, wenn auch weichen Haut bedeckt, die nur unzulänglich von der „Kleidung" geschützt werden konnte.
Es war ganz und gar nicht das, was Yevo erwartet hatte. So eine Gestalt ...
Etwas Erstaunliches ging jetzt mit Yevo vor, eine erste Reaktion des stofflichen Körpers: Seine Augen begannen plötzlich heftig eine Flüssigkeit abzusondern, die nicht nur den Blick völlig verwässerte, sondern auch noch herauslief, über das ganze Gesicht rann und vom Kinn tropfte. Im ersten Schrecken dachte Yevo, daß - seine Augen ausliefen, und wischte heftig darüber, aber dadurch produzierten sie nur noch mehr von dieser salzig schmeckenden, warmen Flüssigkeit.
Yevo begriff rasch, daß dies ein Ausdruck seines Kummers war, und er gab sich ihm ganz hin. Er sank vornüber, stützte sich auf die Hände, starrte sein Spiegelbild an und weinte herzzerreißend. Auf ganz Heimat hatte er kein solch häßliches Wesen erblickt, wie er es nun war: so völlig haarlos, mit einem merkwürdigen langen Körper, zwei schlaksigen Armen und Beinen. Es gab so viele Tierarten auf Heimat, die schön und ästhetisch waren. Aber das hier!
Der Wunsch, nach Hause zurückzukehren, in den eigenen schönen Energiekörper, wurde schließlich so übermächtig, daß er den Schritt unternahm.
Todunglücklich flog Yevo dann über die Welt. So viele schöne Tiere gab es. Warum konnte er es sich nicht aussuchen, wie sein stofflicher Körper aussah?
Er war so in Gedanken versunken, daß er beinahe mit einem älteren Veego zusammenprallte, der gerade zurückkehrte. „Was ist denn mit dir?" stellte er unwillkürlich die Frage, als er den betrübten,
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