1675 - Der Kopfjäger
hatte er Glück. Oder das Glück, auf das er gesetzt hatte. In der Wand gab es eine Tür. Sie war mal gelb gestrichen oder lackiert worden. Jetzt war der größte Teil der Farbe abgeblättert, die Grundierung kam durch, und die Tür sah aus, als wäre sie mit Rost bestrichen worden. Suko hoffte, dass sie nicht verschlossen war. Sollte es sich bei ihr tatsächlich um einen Notausgang handeln, dann durfte sie nicht verschlossen sein, denn sonst wäre ihre Funktion sinnlos gewesen. Eine Klinke gab es nicht, dafür einen Knauf, den Suko umfasste und dann versuchte, ihn zu drehen.
Das gelang ihm tatsächlich. Über Sukos Lippen huschte ein Lächeln. Zum ersten Mal nach seinem Eintritt in die Unterwelt hatte er einen kleinen Erfolg errungen. Den zweiten Erfolg erzielte er, als er die Tür zu sich hin aufzog. Der Blick war frei. Suko schaute in einen schmalen Raum, dessen Boden gefliest war. An der Wand hing ein altmodisches Telefon. Es gab auch eine Eisentreppe, die in zwei Teilen nach oben zu einer Plattform nahe einer weiteren Tür führte.
Suko hatte das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Er beeilte sich nicht, weil er noch nach Spuren suchte, die ein Fremder hinterlassen haben konnte. Auf dem Fliesenboden war nichts zu sehen. Nur alter Schmutz, aber er lachte leise auf, als er den Abdruck eines Fußes dicht vor der ersten Treppenstufe sah. Für einen Moment war Suko irritiert. Das war nicht der Abdruck eines normalen Schuhs, er sah den eines nackten Fußes, was automatisch darauf schließen ließ, dass der Verfolger keine Schuhe trug, sondern barfuß lief.
Bisher hatte er an allem gezweifelt, nun aber kam er schon ins Nachdenken. Er konnte sich keinen Menschen vorstellen, der ohne Schuhe durch die Kanalisation lief. Es sei denn, dieser Mensch war kein Mensch, sondern etwas anderes.
»Ein Monster wohl«, murmelte er und machte sich an den Aufstieg. Die Stufen bestanden aus Metall und waren mit einer Gitterfläche ausgestattet. Nach kurzer Zeit hatte er die zweite Tür erreicht. In der hier herrschenden Notbeleuchtung sah er den hellgrauen Anstrich, der auch ein paar Schmierflecken zeigte.
Er sah wieder einen dunklen Knauf, der sich bewegen ließ, zog die Tür auf - und schreckte leicht zurück, weil soeben in seiner Nähe ein Zug vorbeihuschte und ihn der scharfe Luftzug erwischte.
Der Zug war blitzschnell wieder weg. Ein letzter Nachhall noch, dann wurde es wieder ruhig.
Zeit für eine leichte Entspannung. Es war dunkel in seiner Umgebung. Die Lampen an den Seiten und an der Decke leuchteten zwar, aber sie gaben nur wenig Licht, sodass Suko sich kaum orientieren konnte. Er würde hier wohl seine Taschenlampe einsetzen müssen.
Zwei Gleise schimmerten vor ihm. Er selbst stand auf einem Randstreifen, der durch ein hüfthohes Geländer gesichert war. Trotzdem war es nicht ungefährlich, sich durch diesen Tunnel zu bewegen.
Einen Beweis für seine Annahme hatte er nicht. Suko ging einfach davon aus, dass das Monster genau diesen Weg genommen hatte. Nur von hier aus konnte es wieder ins Freie gelangen. Aber wohin hatte es sich gewandt, sollte Suko mit seinen Überlegungen recht haben?
Es gab erneut zwei Alternativen. Es hätte nach rechts, aber auch nach links gehen können. Zu beiden Seiten lagen die Stationen, die in der Nacht zwar besetzt, aber trotzdem recht leer waren.
Rechts oder links?
Diesmal entschied sich Suko für die rechte Seite. Er hatte sich kaum umgedreht, als er in die Lichter schaute, die von vorn kamen und sich mit rasender Geschwindigkeit näherten.
Sofort war der Zug da. Suko hatte sich gegen die Wand gepresst. Der Luftzug schwappte über ihn hinweg. Er hatte das Gefühl, dass ihm sogar für einen Moment der Atem genommen worden war.
Dann war der Spuk wieder vorbei. Suko holte normal Luft und machte sich auf den Weg zur Station. Wenn er dort nichts fand, würde er mit einer Bahn bis zur nächsten Station zurückfahren.
Meter für Meter wanderte er durch den Tunnel. Er hielt seinen Blick nach vorn gerichtet, um jede Bewegung sofort erkennen zu können. Zusätzlich, schaltete er die Lampe ein, dessen LED-Licht einen kalten und hellen Strahl abgab. Auch das brachte ihn nicht weiter. Das Licht griff ins Leere, aber Suko sah trotzdem einen kleinen Erfolg, denn vor ihm erschien ein anderes Licht. Es war die Beleuchtung der Station, und Suko fragte sich, ob das Monster sich traute, dort hinzugehen und sich in der Helligkeit zu zeigen.
Vorstellen konnte er sich das nicht.
Wenn diese
Weitere Kostenlose Bücher