1675 - Der Kopfjäger
die Flasche leer. Anschließend duschte ich länger als gewöhnlich und genoss jeden einzelnen Wassertropfen auf der Haut. Das Bett wartete bereits auf mich. Kaum spürte ich die Matratze unter meinem Körper, da fielen mir auch schon die Augen zu, und ich schlief so tief und fest wie schon lange nicht mehr…
***
Das Erwachen am anderen Morgen kam mir vor, als hätte man mich an einem Seil aus einer tiefen Schwärze gezogen. Ich war noch ein wenig von der Rolle und musste mich erst mal zurechtfinden. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, als ich erkannte, wo ich mich befand. Es tat mir gut, dass Atlantis hinter mir lag, doch mir wurde in diesem Moment auch klar, dass ich den Gedanken daran, nicht so leicht loswerden würde. Der Tag würde wie üblich beginnen. Zusammen mit Suko würde ich in unser Büro fahren und erst mal horchen, ob überhaupt etwas anlag. Meiner Ansicht nach besser nicht. So ein oder zwei Gammeltage würden mir bestimmt gut tun. Da ich nicht wusste, ob Suko davon ausging, dass ich wieder in meiner Wohnung war, rief ich ihn an.
Shao nahm ab.
»Ich bin es nur.«
»Hallo, John. Und woher rufst du an?« Sie war noch immer auf dem falschen Dampfer.
»Von nebenan.«
»Was, bitte?«
»Ja, ich bin wieder im Lande.«
»Puh.« Dann lachte sie. »Und jetzt hast du Hunger, denke ich.«
»Solltest du ein Frühstück fertig haben, dann…«
»Fast. Aber ich weiß ja, was du gerne isst. Deshalb werde ich noch zwei Eier braten.«
»Du bist ein Schatz.«
»Das weiß ich doch.«
»Und wie geht es Suko?«
»Frag lieber nicht.«
»Wieso?«
»Das kann er dir gleich selbst erzählen.«
»Okay, ich bin in zwei Minuten da.«
Mit dieser Entwicklung hatte ich nicht gerechnet. Aber ich war auch etwas länger weg gewesen und wusste, dass die andere Seite niemals schlief. Die war immer wachsam und voll da. Was konnte passiert sein? Jetzt fing ich schon an, mir Gedanken zu machen, und dachte daran, dass mich der Alltag wieder hatte.
In zwei Minuten wollte ich drüben sein. Ich schellte schon früher an der Tür und Suko öffnete mir.
»Komm rein.«
Ich erhaschte einen Blick in sein Gesicht und stellte fest, dass er alles andere als entspannt aussah. Ich wollte nicht fragen, was passiert war, er würde es mir von allein erzählen. Zunächst freute ich mich über den Duft des gebratenen Specks, der mir in die Nase stieg. Shao hatte ihr Versprechen gehalten.
Der Tisch war auch schon gedeckt. Ich nahm dort meinen Stammplatz ein und hörte Suko fragen: »Wie ist es dir ergangen?«
»Das war kein Spaß.«
Suko nickte. »Kann ich mir denken.«
Shao brachte die Pfanne gleich mit aus der Küche. Sie stellte sie auf einen Untersatz, sodass ich mich bedienen konnte. Nachdem auch Shao und Suko Platz genommen hatten, fing ich mit einem Kurzbericht an. Beide wunderten sich darüber, dass es Kreaturen der Finsternis sogar als Wölfe gab.
»Dann müssen wir uns wieder auf etwas Neues einstellen«, gab Suko zu bedenken und zog die Stirn kraus.
»Und was ist dir widerfahren?«, fragte ich und hoffte, den richtigen Zeitpunkt erwischt zu haben.
Er hob die Schultern an. »Was soll ich dazu sagen, John? Manchmal gewinnt man und manchmal muss man auch Niederlagen einstecken. Und damit bin ich konfrontiert worden.«
»Worum ging es denn?«
Suko erzählte, während ich aß. Hin und wieder schaute ich hoch und deutete ein Kopfschütteln an. Von einem durch London irrenden Monster hatte ich noch nicht gehört.
Als ich ihm das sagte, nickte Suko. »Das hatte ich auch nicht, und eigentlich habe ich es für eine Finte gehalten. Leider war das nicht der Fall.«
»Und jetzt?«
»Werden wir es jagen müssen. Aber nicht nur das Monster«, setzte er nach. »Dahinter steckt jemand. Das waren keine Sängerknaben, die es in Sicherheit gebracht haben.«
»Und es wollte deinen Kopf? Habe ich das richtig gehört?«
»Hast du.«
»Dann hätten wir es mit einem Kopfjäger zu tun, der es auf dich abgesehen hat.«
»Kann man so sehen.«
»Und was machen wir jetzt?«
Suko gab keine Antwort, ich schwieg ebenfalls und nur Shao nickte uns zu, bevor sie sprach.
»Ich an eurer Stelle würde mir da erst mal keinen Kopf machen. Das kriegt ihr schon geregelt. Ich frage mich nur, wie ein Mensch so aussehen kann. Das war doch ein Mensch - oder?«
Suko nickte und hob zugleich die Schultern. »Er oder es hatte zumindest eine menschliche Gestalt.«
»Was uns auch nicht weiterbringt.« Ich hob die Schultern. »Du hast gesagt, dass es
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