168 - Hauptrolle für einen Zombie
Kollegin die häßliche Hand entgegen, sie griff danach, und er zog sie auf die Beine.
Fox stemmte sich aus seinem Regiestuhl hoch. Er war ein schwerer Mann, unheimlich fett, aber alle hatten Achtung und Respekt vor seiner Intelligenz und seinem Können.
Er hatte in Film und Fernsehen viele Rollen verkörpert, war ein exzellenter Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur, dessen Diktat man sich gern unterwarf, weil man wußte, daß er von seiner Arbeit mehr als jeder andere verstand.
Es war manchmal mühsam, mit ihm zu arbeiten, weil er ein Perfektionist war. Mittelmäßigkeit ließ er nicht gelten. Er verlangte von sich stets das Maximum, und von allen, mit denen er arbeitete, auch.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Der Name Fox war ein Synonym für Qualität und gute Unterhaltung, auch dann, wenn es sich um einen Horrorfilm handelte.
Jemand lief in die Friedhofsdekoration, die im Studio aufgebaut war, und löschte die Fackel, die Daisy Brenton fallenlassen hatte.
»Ich bin gespannt, wie oft wir die Szene noch drehen werden«, raunte Harry Warden seiner Kollegin zu.
»Für Victor Fox ist das Beste gerade gut genug«, meinte Daisy schmunzelnd. Sie schüttelte ihre Frisur mit den Händen auf. »Wenn du ein bißchen weniger fest zudrücken würdest, wäre ich dir sehr verbunden.«
»Es muß echt aussehen«, verteidigte sich Harry Warden. »Die Kamera hält voll drauf auf meine Hände. Man würde es merken, wenn ich dich bloß streicheln würde.«
»Man könnte beinahe meinen, es würde dir Spaß machen, mich zu würgen.«
Warden lachte schauderhaft und schlenkerte mit den Armen. »Macht es mir auch.«
»Sadist.«
Fox kam zu ihnen. »Ihr wart beide großartig. Ihr habt das wirklich prima hingekriegt. Du läßt den Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren, Harry, und deine Angst kommt wunderbar rüber, Daisy.«
»Dann verstehe ich nicht, warum wir den Take nochmal drehen«, sagte Harry Warden.
Fox kratzte sich hinter dem Ohr. »Der Szene fehlt noch eine Kleinigkeit, das Tüpfelchen auf dem I, versteht ihr? Wir versuchen es nochmal und blasen einen Hauch von Nebel über die Gräber. Ich glaube, dann haben wir’s.« Er wandte sich um. »Kann ich ein bißchen Nebel haben? Nicht zuviel, er muß durchsichtig bleiben, damit man Harrys Hände sieht, wenn er sie aus dem Boden streckt.«
Der Maskenbildner beschäftigte sich kurz mit Daisy Brenton und Harry Warden. Glänzende Stellen im Gesicht wurden überpudert, und Daisy bekam eine neue Fackel, die noch nicht brannte.
»Okay!« rief Victor Fox und nahm wieder in seinem Regiesessel Platz. »Daisy, Harry, nehmt eure Positionen wieder ein!«
Warden legte sich ins Grab, das von einem jungen Mann zugeschaufelt wurde. Mit einem Rechen zog er das welke Laub heran und verteilte es, während dünne Nebelschleier auf die Grabsteine zukrochen.
Daisy Brentons Fackel wurde angezündet, der Friseur bürstete noch rasch ihr rotes Haar. Es wurde wieder still im Studio.
»Ton ab!«
»Kamera läuft!«
Ein Mann hielt das Klappenbrett vor die Kamera, und Augenblicke später rief Victor Fox: »Action!«
Und Daisy Brenton bewies, daß sie eine Vollblutschauspielerin war. Sofort befand sich wieder Angst in ihrem Blick.
***
Ich war unterwegs zu den Oakwood Studios. Die Filmgesellschaft drehte dort mit großem Aufwand einen Horrorfilm, der das Genre in den Kinos wieder populär machen sollte.
Der Starregisseur Victor Fox wollte beweisen, daß man auch ohne übertriebene Brutalität einen Streifen drehen konnte, der den Leuten unter die Haut ging.
Und meine Freundin hatte die Ehre und das Vergnügen, mit Fox zusammen das Drehbuch zu diesem Film zu schreiben. Fox’ Angebot hatte sie sehr glücklich gemacht, und wenn sie Zeit hatte, begab sie sich ins Studio, um bei den Dreharbeiten zuzusehen.
Eigentlich war es verrückt, daß ich zu Filmaufnahmen fuhr, die sich mit dem Thema Horror befaßten, denn Horror war mein Leben, konnte man sagen. Damit mußte ich mich mehr als mir lieb war herumschlagen.
Aber Film war eben doch etwas anderes. Das war ja zum Glück alles nur Fiktion, Illusion - fernab von der schrecklichen Wirklichkeit, mit der ich immer wieder konfrontiert wurde.
Im Kino lief lediglich ein gruseliges Spektakel ab - nach zwei Stunden wurde es hell, und die Leute konnten aufatmen. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn es in meinem Leben auch so gewesen wäre, aber so einfach machte es mir die schwarze Macht nicht.
Die Tigerfrau Agassmea und der Lavadämon
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