1685 - Angriff der Racheengel
vor?«
»Ich sagte dir doch, dass ich das Leben meines Freundes retten will. Ich werde mich waffenlos in deine Gewalt begeben. Du kannst mit mir machen, was du willst, und andere Wesen werden dir bestimmt dankbar sein.«
Sie war noch immer nicht überzeugt. »Warum bist du so mutig? Welchen Trumpf hältst du noch in der Hinterhand? Man kann dir nicht trauen, das weiß ich.«
»Ich werde waffenlos sein. Hast du dann noch immer Bedenken? Das würde mich wundern, denn ich hätte dich eigentlich stärker eingeschätzt. Wer in Liliths Nähe sein Glück und Seelenheil sucht, der ist auf seine Existenz vorbereitet worden. Ich bin ein Mensch, nicht mehr und nicht weniger, aber du bist jemand, für den die menschlichen Gesetze nicht gelten. Du hast sogar eine geweihte Kugel überstanden. Ich kenne kaum jemanden, der so etwas schafft.«
Jetzt steckte Barbelo in einer Zwickmühle. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Das Heft des Handelns war ihr aus den Händen genommen worden. Sie begriff nicht, dass es Menschen gab, die sich freiwillig in ihre Gewalt begaben.
»Hast du dir denn überlegt, wie es für dich weitergehen wird?«
»Nein, noch nicht, ich will nur meinen Freund retten.«
»Auch wenn du dabei stirbst?«
Ich wich einer konkreten Antwort aus. »Das liegt einzig und allein in deiner Hand.«
Sie war sich noch immer nicht schlüssig, obwohl ich ihr ein verlockendes Angebot gemacht hatte. Sich freiwillig in die Gewalt einer Feindin zu begeben, das kam in ihrer Denkweise nicht vor.
Ich wusste nicht, wie es Suko ging. Er war zur Statue geworden. Zwar schaute er in meine Richtung, aber das mit so leeren Augen, dass ich davon ausgehen musste, dass er mich nicht wahrnahm.
»Du kannst mich bekommen und hast deinen Schützling zurück. Ein besseres Angebot kann man nicht machen.«
»Fang an!«
Die beiden Worte hatten mich so sehr überrascht, dass ich zunächst nichts tat.
»Hast du nicht gehört? Ich habe mich entschieden.«
»Gut. Dann lass ihn frei!«
Barbelo schüttelte den Kopf. Sie breitete ihre Flügel aus, und ich befürchtete schon, dass sie mit Suko wegfliegen würde, aber es war nur eine Geste der Ablenkung gewesen. Die Flügel sackten wieder zusammen, und so hatte sie ihre Position nicht verändert.
»Du machst den Anfang!«
»Ja, das werde ich.«
Es war kein leeres Versprechen von mir. Ich bewegte meine rechte Hand und führte sie dorthin, wo meine Beretta steckte. Die zog ich hervor, fasste sie dabei mit spitzen Fingern an und ließ sie los.
Sie fiel zu Boden.
»Hast du gedacht, dass mich eine Kugel töten könnte?«
Ich hob die Schultern. »Es war ein Versuch, nicht mehr und nicht weniger.«
»Und ich habe euch reingelegt, ich kann kommen und wieder verschwinden, wann ich will. Mir stehen Tore offen, die anderen verschlossen sind. Meine Welt liegt dort, wo Himmel und Hölle aneinanderstoßen, und ich habe mich in der Verdammnis eingerichtet.«
»Das glaube ich dir.«
»Und jetzt das Kreuz!«
Darauf hatte ich gewartet. Plötzlich steckte in meinem Hals ein dicker Kloß. Ich wusste, dass ich einen gefährlichen Weg ging. Mich dieser Person schutz- und waffenlos zu stellen, das war eigentlich mehr, als ich ertragen konnte. Mit wem immer diese Person zusammenleben mochte, sie alle waren meine Gegner, an der Spitze natürlich Lilith, die von manchen Menschen als erste Frau Adams angesehen wurde und nicht die biblische Eva.
Das war nur ein kurzer Gedanke, der durch meinen Kopf huschte, als ich die Kette mit dem Kreuz über meinen Kopf streifte und dabei feststellte, dass meine Finger zitterten. Immerhin war ich ein Mensch und keine Maschine.
Aus blassen Augen starrte Barbelo es an. Am liebsten hätte sie es an sich gerissen, aber so stark war sie nicht, um gegen diese weißmagische Kraft anzugehen. Sie bezeichnete sich als Engel, aber die wahren Engel hatten mein Kreuz gesegnet und ihre Zeichen hinterlassen und mich zum Sohn des Lichts gemacht.
Das war ich wenig später nicht mehr so ganz, denn da lag das Kreuz zwischen uns im Gras.
»Zufrieden?«, fragte ich.
»Ja – fast.«
»Was fehlt noch?«
»Du!«
Das hatte ich mir gedacht, schüttelte allerdings den Kopf und deutete auf Suko, der sich noch immer in Barbelos Gewalt befand und von diesem Netz aus Lichtfäden umgeben war.
»Lass ihn frei!«, forderte ich sie auf.
»Warum? Ich könnte euch beide vom Erdboden vertilgen. Aber das wäre nur der halbe Spaß. Einer soll um den anderen trauern. Er soll im Unklaren darüber
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