1685 - Angriff der Racheengel
mehr stumm, denn plötzlich erreichte mich ihre Stimme als scharfes Flüstern.
»Niemand nimmt mir das weg, was ich mir ausgesucht habe. Ich bin sein Schutzengel, und das werde ich auch bleiben. Ich bestimme, wann sein Leben zu Ende geht, und das wird noch lange dauern. Aber es wird nur unter meinem Schutz passieren.«
»Ja, das habe ich gehört. Aber wir sind Polizisten. Menschen, die inoffiziell mit Waffen handeln, werden bei uns bestraft, das sollte dir doch klar sein.«
Die Dämonin reagierte schnell. »Du willst ihn also nicht hergeben? Habe ich das richtig verstanden?«
»Das hast du.«
Die nächsten Worte überraschten mich. »Gut, dann werde ich dir einen Tausch vorschlagen. Du kannst ihn behalten, aber ich werde von dir einen anderen Menschen bekommen. Wir werden uns auf einen Tausch einigen.«
Meine Überraschung zeigte ich nicht. Ich stellte nur eine Frage. »An wen hast du gedacht?«
»An deinen Freund.«
Auch mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Sie wollte Bilic gegen Suko tauschen. Aus ihrer Sicht vielleicht nicht schlecht, aus meiner schon, aber ich gab die Antwort nicht, weil Suko mir zuvorkam.
»Und was willst du mit mir?« Er trat einen Schritt vor. »Willst du meinen Schutzengel spielen?«
»Warum nicht? Aber ich kann auch anders, ganz anders.«
Ich ahnte, dass die Dinge für uns nicht so glatt liefen. Deshalb warnte ich Suko auch.
»Gib acht und denk daran, dass Barbelo alles andere als ein Engel ist.«
»Weiß ich, John.« Danach wandte er sich an die Dämonin. »Willst du meine Antwort haben?«
»Gern.«
Suko holte mit einer schnellen Bewegung seine Beretta hervor. Es verging nicht mal eine Sekunde, da schoss er. Zwei geweihte Silberkugeln jagte er gegen die Gestalt. Es war ein Test, denn er ging nicht davon aus, dass sie damit zu vernichten war.
Und doch passierte es.
Auch ich bekam große Augen. Der getroffene Körper zuckte zusammen. Plötzlich war er in ein seltsames Licht getaucht, das mehr dunkel als hell schimmerte, und genau dieses Licht war so stark, dass es den Körper fraß, wobei es sich mehr um ein Auflösen oder Verschwinden handelte. Es war schon ein ungewöhnlicher Vorgang. Barbelo verlor ihren menschlichen Umriss, sie rollte sich zusammen, das Dunkle der Kleidung verschwand, und wenig später war sie selbst verschwunden, sodass wir auf dem Rasen allein zurückblieben und die neue Lage noch nicht so recht fassen konnten.
Suko starrte mich an. Dann formulierte er ein Wort. »Silberkugeln …?«
»Ja.«
Er schaute auf seine Waffe. »Aber wieso? Sie ist eine mächtige Dämonin. Ich kann das nicht fassen. Die lässt sich nicht mit schlichten Silberkugeln verjagen, auch wenn sie geweiht sind.« Er fügte noch ein Lachen hinzu und konnte nur den Kopf schütteln.
In meinem Kopf lief so einiges durcheinander. Erst jetzt stellte ich fest, dass auch der Nebel nicht mehr vorhanden war. Die Sicht war frei, uns umgab die Normalität, und wir hörten sogar wieder das Zwitschern der Vögel.
»Dass sie aufgegeben hat, John, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Dahinter muss ein anderer Grund stecken. Wer so mächtig ist, der lacht über eine Silberkugel. Bilic hat sie doch im Krieg als kugelfest erlebt.«
»Das stimmt schon, aber es sind auch keine geweihten Silberkugeln gewesen.«
»Und wie geht es jetzt weiter?« Suko lachte über seine eigene Frage. »Das ist nicht vorbei. Er war bestimmt nur ein Test. Sie hat sich etwas Neues ausgedacht, und auf diese Überraschung kann ich gut und gern verzichten.«
Der Meinung war ich ebenfalls und musste erst mal tief durchatmen. Warum hatte sich die Dämonin so verhalten? Lag es wirklich an meinem Kreuz, das zu stark war?
»Fahren wir wieder zurück?«, fragte Suko.
Daran hatte ich auch gedacht. Zuvor wollte ich erfahren, wie Goran Bilic diese Begegnung überstanden hatte. Eine Drehung meinerseits und ich schaute ihn an.
Bilic hielt meinem Blick stand. Durec stand neben ihm und starrte ins Leere. Aber es war noch etwas geschehen, das ich erst jetzt zu sehen bekam. Mit einer langsamen Bewegung hob Bilic beide Hände, und das wiederum brachte mich ins Staunen, denn er hatte seine Handschelle verloren. Ich hatte sie ihm nicht abgenommen.
»Er lässt mich nicht im Stich, Sinclair. Das war erst der Anfang. Er hat das Material einfach zerschmolzen. Er ist mein Schutzengel und hat mich nicht enttäuscht.«
»Das sehe ich.«
»Du solltest dich nicht mehr um uns kümmern. Lass dir das hier eine Warnung sein. Er hätte
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