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1686 - Wesen aus der Spindel

Titel: 1686 - Wesen aus der Spindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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keineswegs scheue Blicke, und schon gar nicht die eines Kindes, das erst noch begreifen mußte, daß es plötzlich lebte.
    Auf eine Art war dieses Wesen, ein kräftiger Mann, vielleicht ein Meter neunzig groß, tatsächlich wie ein Neugeborener. Weil er noch kein Wissen besaß, keine Erfahrungen, vielleicht auch keine Gefühle.
    Das hatte er mit dem Spindel-Haluter gemeinsam.
    Auf eine andere Art aber wirkte er zielstrebig wie ein Erwachsener - in diese ihm unbekannte Welt hineingeworfen und sofort dabei, Wissen zu sammeln und anzuhäufen.
    Auch das war ähnlich wie bei Eins.
    Myles Kantor schien aus tiefer Versenkung zu erwachen. Er lächelte scheu, trat zögernd auf das Spindelwesen zu und räusperte sich mehrmals, bevor er laut sagte: „Wir haben es also tatsächlich geschafft. Nummer Zwei - ich heiße dich bei uns willkommen."
    Das war der Auslöser dafür, daß sich die aufgestauten Gefühle der Wissenschaftler und Hanse-Spezialisten in einem einzigen Jubelschrei entluden. Sie drängten heran. Jeder wollte Myles Kantor hochleben lassen und ganz genau sehen, was sie da erschaffen hatten.
    Mikes Warnungen wurden kaum gehört. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, daß alles viel zu schnell ging. Das Wesen brauchte auf jeden Fall noch Zeit, um sich zu orientieren. Sie konnten es nicht so überfallen!
    Einmal jubelten sie, kräftig und lange.
    Und dann blieb ihnen alles Weitere, das in der Begeisterung aus ihnen heraussprudeln wollte, in der Kehle stecken.
    Wer noch nicht ganz verstummt war, dessen Worte oder Lachen gingen in dem gräßlichen Brüllen unter, das den Hangar auf einmal erfüllte und das schlagartig alle Illusionen zerstörte.
     
    *
     
    In seiner Kindheit und Jugend hatte Michael Rhodan sich gerne mit den Mythen der alten terranischen Völker befaßt. Er hatte sich die Sagen und Geschichten von römischen, ägyptischen und griechischen Göttern und Helden immer wieder erzählen lassen, von seiner Mutter Mory, „Onkel" Bully und anderen. Er war gern in seiner Phantasie in diese Wunderwelten hinabgetaucht und hatte sich vorgestellt, in der Rolle eines Herakles oder eines Odysseus, eines Jason oder eines Theseus zu sein, wenn sie ihre phantastischen Abenteuer mit Feinden, Gottheiten und Ungeheuern erlebten.
    Er erinnerte sich noch daran. Und er wußte noch ganz genau, wie er sich als Kind immer das Gebrüll des schrecklichen Minotauros vorgestellt hatte, wenn er in seinen Tagträumen in Theseus' Haut schlüpfte und die schöne Ariadne aus dem Labyrinth des Ungeheuers auf der Insel Kreta befreien wollte.
    Damals hatte ihm seine eigene Einbildungskraft die Gänsehaut den Rücken hinuntergejagt.
    Jetzt hörte er das Brüllen wieder. Es hätte vom Minotauros ausgestoßen worden sein können.
    Es war wirklich so, wie Mike es sich damals in seinen Horrorvisionen vorgestellt hatte.
    Aber diesmal war es real und kein Traum.
    Es kam nicht von einem Ungeheuer mit dem Kopf eines Stiers. Es kam von dem Wesen, das Myles Kantor soeben noch als „Zwei" begrüßt und willkommen geheißen hatte.
    Die Wissenschaftler wichen entsetzt zurück. Einige stolperten. Panik brach aus, bis alle weit genug weg waren, um sich vor dem Wesen sicher zu fühlen, das ihnen noch gar nichts getan hatte.
    Sein Anblick allein genügte, um Schrecken und Entsetzen zu verbreiten. Das und die Laute, die es von sich gab.
    Es war ein Monster. Der Versuch war ein Fehlschlag gewesen, das wurde Mike Rhodan in grausamer Konsequenz klar. „Zwei" stand orientierungslos da, die Arme erhoben und die Hände zu Fäusten geballt. Der Kopf drehte sich von links nach rechts und wieder zurück. Die Augen wurden zusammen gekniffen, weiteten sich, zuckten und glänzten in feuchtem Feuer. Das Wesen suchte. Es suchte nach etwas, da; ihm zeigen sollte, wozu es hier war und wohin sein Weg ging, und Mike hatte Angst vor dem Moment, in den es sich selbst die Antwort gab. „Kommt zurück, Myles und Kallia!" rief er und wurde von einem neuerlichen Brüllen übertönt. Nein, nicht wie der Minotauros. Es war wie das Ge brüll eines Sauriers: laut, kreischend und vor allem absolut unmenschlich.
    Myles Kantor und Kallia Nedrun standen wie gebannt vor dem Ungetüm. Sie konnten nicht weglaufen Dies war ihr Werk. Eben noch waren sie fast zersprungen vor Glück und Stolz auf das vermeintlich gelungene Experiment.
    Jetzt stürzten sie so tief, daß ihr Verstand sich zunächst weigerte, die furchtbare Wahrheit zu akzeptieren Es dauerte lange, viel zu lange, bis wenigstens

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