169 - Der Vampir mit der Maske
dann entwickelten sich die Dinge nicht so, wie es sich Stacc LeVar wünschte. Er sah einen Mann, der dem Mädchen nachschlich. Am liebsten hätte er Dana gewarnt, damit sie für ihn reserviert blieb.
Der Mann fiel über das Mädchen her und versuchte ihm die Handtasche zu entreißen. Es gefiel dem Vampir, daß Dana Guiness sich so heftig wehrte, denn das zeugte von jugendlicher Vitalität, die er später, an ihrer Halsschlagader saugend, in sich aufnehmen würde.
In dem Augenblick, wo LeVar eingreifen und das Mädchen für sich retten wollte, tauchte ein anderer auf und stand ihr bei. LeVar blieb, wo er war, regte sich nicht.
Er beobachtete den Kampf, der nicht lange dauerte und damit endete, daß der bleiche Hohlwangige die Flucht ergriff. Es mißfiel dem Vampir, daß der unverhofft aufgetauchte Retter das Mädchen aus dem Park brachte.
Einen Augenblick lang wollte sich LeVar auf den Mann und anschließend auf das Mädchen stürzen, aber sein Instinkt riet ihm davon ab.
***
Tyne Carrera war ein bildschönes Mädchen mit rabenschwarzem langem Haar, dunklen Augen und einer prachtvollen Figur. Sie war 22 Jahre alt und lebte mit ihrem Vater zusammen in einem sauberen Haus.
Ihre Mutter hatte Tyne fast nicht gekannt. Wenn sie sich an sie zu erinnern versuchte, fiel ihr als erstes ein, daß sie eine sehr lebenslustige Frau gewesen war, die viel gelacht hatte.
Die Ehe mit Wallace Carrera hatte ihren Vorstellungen nicht entsprochen. Sie fühlte sich eingeengt und wollte so nicht bis ans Ende ihrer Tage dahinvegetieren.
Sie stellte höhere Ansprüche an das Leben, lernte in Soho einen Mann kennen, dessen Taschen von Banknoten ausgebeult waren, und warf sich ihm an den Hals.
Ihre Ehe mit Wallace Carrera wurde daraufhin geschieden. Der Mann mit dem vielen Geld entpuppte sich als Zuhälter, der Tynes Mutter zwang, für ihn anzuschaffen.
Unglücklich hatte sie nach drei Jahren einmal angerufen, doch Wallace war nicht fähig gewesen, Mitleid zu zeigen. Sie wäre gern zu ihm zurückgekommen, aber Wallace Carrera wollte sie nicht mehr haben; sie war für ihn gestorben.
In dieser Nacht fand Tyne keine Ruhe. Sie war nervös, ohne den Grund zu kennen.
Was mochte sie beunruhigen? Worauf reagierten ihre Sinne so heftig?
Sie schlug die Bettdecke zurück und stand auf, griff nach ihrem Schlafrock, der am Fußende lag, und zog ihn an. Dann trat sie ans Fenster und blickte hinaus.
Das Haus gegenüber war leer und nutzlos. Es war möbliert, doch niemand bewohnte es. Tyne wußte, daß es einem Makler namens Michael Averback gehörte.
Sie hielt den stets schwarz gekleideten Mann für einen höchst sonderbaren Menschen; er war ihr sogar ein wenig unheimlich. Gesprochen hatte sie noch nie mit ihm, gesehen hatte sie ihn aber hin und wieder, und der Blick seiner dunklen Augen war ihr jedesmal wie ein Messer unter die Haut gegangen.
Irgend etwas stimmte mit Averback nicht, davon war sie überzeugt, und sie hatte mit ihrem Vater darüber gesprochen, doch dieser hatte erwidert: »Wir kümmern uns prinzipiell nicht um andere Leute und ihre Angelegenheiten. Warum Averback das Haus leerstehen läßt, wie er ist, was er hat, sollte uns nicht kümmern. Solange er uns in Ruhe läßt, ist alles in Ordnung.«
In der vergangenen Woche hatte Tyne den sonderbaren Makler dreimal gesehen. So oft sah sie ihn manchmal in einem halben Jahr nicht. Plante er etwa, in das gegenüberliegende Haus einzuziehen?
Ihn als ständigen Nachbarn zu haben, hätte Tyne nicht gefallen. Sie hätte sich in Averbacks Nähe nicht wohl gefühlt, obwohl er ihr noch nie etwas in den Weg gelegt oder ein böses Wort an sie gerichtet hatte.
Neulich hatte er sogar die Melone gelüftet und ihr zugenickt, bevor er sein Haus betrat. Aber in seinem Blick hatte sich ein Ausdruck befunden, der Tyne entsetzte.
Für sie verkörperte dieser Mann das Böse. Wenn ihr jemand gesagt hätte, Michael Averback wäre mit dem Teufel im Bund, hätte sie es bedenkenlos geglaubt.
Vielleicht war es das, was sie beunruhigte: die Angst, Averback könnte dort drüben einziehen. Schaudernd wollte Tyne den Vorhang loslassen und vom Fenster zurücktreten, da bemerkte sie etwas ganz-Merkwürdiges.
Ein Mann bog um die Ecke. Er trug einen langen schwarzen Umhang, in den der Wind blies, wodurch er zuckend hochflatterte. Für einen kurzen Moment hatte Tyne Carrera geglaubt, der Mann wäre um die Ecke geflogen . Für einen Sekundenbruchteil hatte der Umhang den Eindruck erweckt, der Fremde dort unten
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