169 - Der Vampir mit der Maske
hätte Flügel.
Gespannt beobachtete ihn das schwarzhaarige Mädchen. Seine Flügel legten sich jetzt an den Körper, und er näherte sich der Haustür von Nummer 24.
Wohnte er drüben? Hatte Michael Averback das Haus all die Jahre für ihn bereitgehalten? Zwischen den weißen Säulen, die das Vordach stützten, blieb der große hagere Mann stehen.
Er schien Tyne Carreras Blick auf sich ruhen zu spüren, drehte sich unvermittelt um und blickte zu ihr hoch. Ihr Herz krampfte sich zusammen, sie zuckte zurück und faßte sich an die Brust.
»O mein Gott!« entfuhr es ihr, dann sprang sie ins Bett und zog sich ängstlich die Decke über den Kopf.
***
Stacc LeVar betrat »sein Haus« und begab sich in jenen Raum, in dem er Jesse Hunley und Max Burton an die Wand gehängt hatte. Enttäuscht stellte er fest, daß die Leichen nicht mehr da waren.
»Ich habe sie fortgeschafft«, erklärte jemand hinter ihm.
LeVar drehte sich langsam um und erblickte Michael Averback. Es fiel ihm nicht schwer, die Dunkelheit mit seinen scharfen, nachtgewohnten Augen zu durchdringen.
Averback strahlte und sagte, er wäre glücklich, dem Meister sein Haus zur Verfügung stellen zu dürfen, und es wäre eine Ehre für ihn, ihm zu dienen.
Stacc LeVar kam von weither, hatte lange Zeit auf Korsika gelebt, und es war nicht einfach gewesen, ihn in England einzuschleusen. Averback mußte viele Leute bestechen.
Eine Menge Geld hatte ihn Le Vars »Einreise« gekostet, doch er trauerte keinem einzigen Penny nach, denn er hatte es für einen »guten Zweck« ausgegeben.
Wenn LeVar ihn als Diener akzeptierte, würde sich sein Leben grundlegend ändern und endlich in Bahnen verlaufen, die er immer schon angestrebt hatte.
Mit Stacc LeVar konnten sich viele von Averbacks unheiligen Wünschen erfüllen, deshalb nahm er ehrfürchtig die Melone ab, senkte demutsvoll das Haupt und bot dem Vampir seine Dienste an.
Als LeVar annahm, überschlug sich Averbacks Herz vor Freude und Begeisterung. »Du wirst mit mir zufrieden sein, Meister!« versicherte er dem Blutsauger. »Wirst deinen Entschluß nicht bereuen. Was immer du mir befiehlst, werde ich tun. Wenn du möchtest, bringe ich dir die Opfer ins Haus.«
LeVar jagte sie lieber, aber es würde für Averback genug anderes zu erledigen geben - vor allem während des Tages, den Stacc LeVar im verdunkelten Keller verbringen mußte.
Der Vampir wollte wissen, wer das gegenüberliegende Haus bewohnte.
»Die Carreras«, gab Averback Auskunft. »Vater und Tochter. Das Mädchen ist sehr hübsch. Junges Blut, erst 22.«
LeVar nickte, als hätte er soeben einen schicksalsschweren Entschluß gefaßt. Dann nahm er die Maske ab. Er war ein abstoßend häßlicher Mann mit tiefen Falten in der fahlen Haut.
Bei seinem Anblick gefror selbst Richard Averback das Blut in den Adern.
***
Wallace Carrera war Anfang 40. Er liebte seine Tochter über alles. Sie waren beide berufstätig. Tyne arbeitete als Verkäuferin bei Harrods - bis dorthin waren es nur fünf Minuten zu Fuß -, und Wallace Carrera arbeitete im Trade Center, direkt an der Tower Bridge.
Obwohl er wegen des weiteren Anmarschweges früher aus dem Haus mußte, stand Tyne vor ihm auf. Wenn er herunterkam, war der Frühstückstisch gedeckt, es duftete nach Kaffee und gebratenem Speck, und die Morgenzeitung lag bereit.
Wie jeden Morgen bekam Tyne ihren Kuß auf die Wange, und wie jeden Morgen sagte Wallace Carrera seinen Spruch auf: »Guten Morgen, mein Kind. Hast du gut geschlafen?« Zumeist konnte sie diese Frage mit einem »Ja, danke, und du?« beantworten, doch diesmal seufzte sie und erwiderte: »Fast überhaupt nicht.«
»Bist du krank?« Wallace Carrera legte ihr die Hand auf die Stirn. »Fieber hast du keines.«
»Ich fühle mich nicht gut, bin irgendwie nervös. Kennst du dieses Gefühl, wenn alles in dir so vibriert, daß du am liebsten aus der Haut fahren möchtest?«
Carrera setzte sich. »Ich weiß, wovon das kommt. Dahinter steckt der Ärger mit Larry Waite.«
Larry Waite war Tynes Freund -oder zumindest war er das gewesen, bis ihm Cleo Sutton schöne Augen gemacht hatte. Er hatte mit Cleo geschlafen, und Tyne war nicht sicher, ob sie ihm das jemals würde verzeihen können.
Tyne widersprach ihrem Vater nicht. Vielleicht hatte er recht, vielleicht steckte wirklich die Sache mit Larry Waite dahinter. Während des Frühstücks erzählte Tyne ihrem Vater von ihrem nächtlichen Erlebnis.
Sie begann mit der Behauptung, daß sie nun endlich in
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