169 - Der Vampir mit der Maske
gesichtet?«
»Im Hyde Park, in der Nähe des Sees.«
»Na, mal sehen, ob auch ich das Glück habe, ihn zu sehen. Ich würde ihn wirklich gern treffen, und zwar mit einer geweihten Silberkugel, genau zwischen die Augen.«
Ich stahl mich davon. Niemand bemerkte es, nicht einmal Vicky, die sich angeregt mit den Mitgliedern des »Weißen Kreises« unterhielt.
Sie war nicht mit ihrem Miet-Porsche gekommen, sondern mit meinem Rover, so hatten wir es vereinbart. Nach dem kleinen Fest wollten wir gemeinsam heimfahren.
Nun, vielleicht würde ich bald wieder zurück sein, und wenn nicht, würden sich Vicky, Roxane und Mr. Silver ein Taxi nehmen. Ich stieg in meinen Wagen, drehte den Schlüssel und fuhr los.
Bei Hyde Park Corner stieg ich aus und betrat den nächtlichen Park. Langsam schlenderte ich zum See. Niemand hätte mir angesehen, daß meine Nervenstränge so straff wie Klaviersaiten gespannt waren. In mir herrschte Alarmstufe eins. Ich versuchte alles zu sehen und alles zu hören.
Während ich mich dem länglichen, geschwungenen See, The Serpentine genannt, näherte, sah ich mich nicht nur sehr aufmerksam um, sondern richtete meinen Blick auch immer wieder nach oben, und meine Hand glitt ins Jackett und prüfte den Sitz des Colts Diamondback in der Schulterhalfter, denn unter Umständen mußte ich verflixt schnell ziehen.
Und treffen!
Während meine Freunde mit Tucker Peckinpah feierten, legte ich mich in der naßkalten Dunkelheit auf die Lauer. Weit von mir entfernt rollte der Verkehr an dem großen Park vorbei, entweder die Park Lane hinauf oder die Bayswater Road entlang.
Es war möglich, daß ich vergeblich auf den Vampir wartete. Sollte ich ihn heute nicht zu Gesicht kriegen, würde ichi morgen wieder hier sein, sobald die Dunkelheit anbrach, und ich würde Verstärkung mitbringen.
Hin und wieder war sehr viel Geduld nötig, um einen Vampir zu erwischen. Manche zogen eine Blutspur hinter sich her, der man nur zu folgen brauchte, um ihr Versteck zu finden, viele von ihnen aber waren raffiniert und wußten sich mit List und Tücke zu tarnen.
Keiner war wie der andere, deshalb konnte man sie nicht ausrechnen. Sie hatten nur eines gemeinsam: ihre unersättliche Gier nach Blut, wobei die männlichen Blutsauger sich zumeist an junge, hübsche Mädchen hielten, während die Vampirinnen junge Männer bevorzugten. Zumindest darin waren sie uns Menschen gleich.
Mein Blick schweifte über die großen Baumkronen, die sich allmählich herbstlich verfärbten, was zu dieser Stunde jedoch nicht mehr zu sehen war.
Die Nacht drückt allem ihren schwarzen Stempel auf und tötet jede Farbe.
Ein Pärchen ging an dem Baum vorbei, hinter dem ich stand. Die beiden sahen mich nicht, blieben stehen, tauschten Zärtlichkeiten aus und sprachen leise miteinander, dann kicherte das Mädchen, und sie gingen weiter.
Kurz darauf wurden sie ein Opfer der Nacht, die sie mit Haut und Haaren verschlang… und einige Minuten später vernahm ich aus der entgegengesetzten Richtung einen grellen Mädchenschrei, der mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte!
***
»Wo ist Tony?« fragte Vicky Bonney.
Tucker Peckinpah war die Frage unangenehm, denn er wollte das blonde Mädchen nicht belügen. »Er… mußte weg«, dehnte der Industrielle.
»Er hat mir kein Wort gesagt.«
»Er hat niemandem etwas gesagt.«
Vickys veilchenblaue Augen verengten sich. »Was ist im Busch?«
»Möglicherweise treibt im Hyde Park ein Vampir sein Unwesen«, sagte Tucker Peckinpah.
»Warum hat Tony niemanden mitgenommen?«
»Weil’s nicht ganz sicher ist.«
Vicky nagte an ihrer Unterlippe. Obwohl nichts gewiß war, machte sie sich Sorgen. Einige Male hatten es Vampire schon auf sie abgesehen gehabt.
Zuletzt in Ungarns Metropole Budapest. [3] Mit großem Unbehagen dachte sie an dieses Erlebnis zurück. Sie haßte diese immerzu nach Blut lechzenden Wesen, die tot waren und doch lebten, weil sie Nichttote waren.
Nosferatu sagte man dazu in Rumänien. Tückisch und grausam waren Vampire, schnell und schlau, gnadenlos und böse. Schwarze Wesen von der gemeinsten Sorte.
Deshalb war es ihrer Absicht nach angebracht, sich um Tony Sorgen zu machen, wenn er dem Vampir allein den Kampf ansagen wollte.
***
Ich hörte den Schrei und stürmte los, zuerst über den glitschignassen Rasen und dann den asphaltierten Weg entlang. Der Schrei riß nicht ab. Hinter Büschen wurde gekämpft, und das Mädchen kreischte immer schriller um Hilfe.
Ich erreichte die
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