169 - Die Drachenmenschen
schwerfällige Schritte und ließ sich mit einem wohligen Laut aufs Bett sinken.
Der Dämonenkiller blickte aufmerksam um sich. „Fernseher, Kühlschrank und Telefon", sagte er. „Muß es ausgerechnet ein solches Spitzenhotel sein?"
„Die Rechnung zahle natürlich ich", gab Feodora zu verstehen.
„Schön und gut…" Dorian nickte zögernd. „Ich kann mich entsinnen, daß du auch nicht gerade im Geld schwimmst."
Die Mulattin lachte. Es war ein betörendes, glockenhelles Lachen. „Du hast damals die 50 000 Schwedische Kronen abgelehnt, die Gregor Yameshi dir für deine Beteiligung am Tod des Werwolfs geben wollte. Immerhin betrug die Belohnung das Fünffache. Nun, ich habe sie angenommen, einen Teil davon gewinnbringend angelegt und hoffe, dir auf diese Weise etwas von meiner Schuld zurückzuzahlen."
Dorian kniff die Brauen zusammen und musterte die Mulattin nachdenklich. „Rede dir nicht ein, daß du in meiner Schuld stehst. Das ist ausgemachter Blödsinn."
„Wie du meinst. Auf jeden Fall lasse ich euch beide jetzt allein."
Dorian warf Coco einen kurzen Blick zu. Sie schien zu schlafen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich im Rhythmus gleichmäßiger Atemzüge. Nur ihre verzerrten Gesichtszüge hatten sich noch nicht entspannt.
Bevor Fedora das Zimmer verlassen konnte, war Dorian neben ihr und hielt sie am Arm fest.
„Ich erwarte, daß du mir endlich reinen Wein einschenkst", sagte er scharf. „Heraus mit der Sprache. "
„Erwähnte ich nicht bereits, daß mein Bruder Lucio sich einer privaten wissenschaftlichen Expedition anschloß? Ihr Ziel war es, den Mittellauf des Rio Xingu zu erkunden, um Filmaufnahmen und Fotos später zu veröffentlichen. Die beiden Initiatoren haben vor Jahren ein ähnliches Projekt im Pantanal erfolgreich durchgeführt. Ricardo Almerante war einer von ihnen."
Hatte Feodora erwartet, daß Dorian überrascht reagieren würde, so wurde sie enttäuscht. Er schien etwas Ähnliches vermutet zu haben und zog nur kurz die Brauen hoch. Sein Schweigen war die Aufforderung an sie, mehr zu berichten.
„Es ist nicht einmal zwei Wochen her, als Lucio mir im Traum erschien. Er floh vor etwas, was ich nicht erkennen konnte. Die Alpträume wiederholten sich. Nach der dritten oder vierten Nacht lag ich krampfhaft wach und fand kaum noch Schlaf. Dann versetzte ich mich in Trance, suchte nach Lucio, um über sein Schicksal Gewißheit zu erlangen. Aber ich fand ihn nicht, fand nur ein Gebiet in den Ausläufern des Regenwalds, das meinen Fähigkeiten versperrt blieb. Was immer dort sein mag, es war stark genug, mich fast zu töten." Sie schob den linken Ärmel ihrer Bluse zurück und zeigte Dorian den Unterarm. Eine blutunterlaufene Narbe zog sich von der Handwurzel aus zum Ellenbogen hin. „Wenn Freunde mich nicht rechtzeitig gefunden hätten, wäre ich verblutet. Sie sagten mir später, ich hätte versucht, mir mit einem Messer die Pulsadern zu öffnen. Aber ich weiß nichts davon. Und weshalb auch? Das einzige, woran ich mich dunkel entsinne, ist eine gräßliche Fratze, die mich anstarrte. Ich muß in Trance auf einen starken Gegner gestoßen sein."
„Hast du versucht, mit Almerante zu sprechen?"
Feodora nickte stumm.
„Das schon", sagte sie dann. „Leider kam ich zu spät. Ein Toter ist nicht gerade gesprächig. Trotzdem blieb ich in Brasilia, war heute morgen sogar in der Nähe des Grabes, als Almerante beigesetzt wurde. Er war meine einzige Hoffnung, vielleicht mehr über Lucios Schicksal zu erfahren."
„Coco sagte, dieser Ricardo Almerante sei von einem starken Dämon besessen. Wußtest du das?" „Ich ahnte es, als ich sah, wie der Mann wieder aus dem Sarg geholt wurde. Deshalb versuchte ich auch zu erfahren, was die nahe Zukunft bringen würde."
„Allmählich kann ich mir vorstellen, was du gesehen hast." Dorian hatte den Kühlschrank geöffnet und unterzog einige der darin enthaltenen Flaschen einer näheren Begutachtung. Endlich fand er, wonach er suchte. Er füllte ein Glas fast zur Hälfte und trank den Bourbon pur. Feodora Munoz lehnte ab, als er ihr ebenfalls ein Glas anbot.
„Ich erkannte, daß Almerante sich in einen Drachenmenschen verwandeln würde", fuhr die Mulattin fort. „Seltsamerweise sah ich dich und deine Gefährtin in seiner Nähe. Das war etwas, was mich zu weiteren Nachforschungen anspornte. Wenn die Zukunft tatsächlich so ablaufen sollte, mußte ich mich darum bemühen. Du und deine Gefährtin, ihr seid womöglich die einzigen, die Lucio helfen
Weitere Kostenlose Bücher