169 - Die Drachenmenschen
entfernt an eine Waffe erinnert hätte.
Das altertümliche Kurzstreckenflugzeug, das sie nach Altamira bringen sollte, würde wohl etliche Stunden in der Luft sein. Trotzdem war es das schnellste und bequemste Verkehrsmittel. Überhaupt konnte man in Brasilien nahezu jeden einigermaßen bedeutungsvollen Ort mit dem Flugzeug erreichen.
Der Flug führte über die Campos Cerrados Richtung Serra Formosa.
Die aufgehende Sonne ließ Berge, Wälder und Flußniederungen in einem eigenartig kalten Licht erscheinen. Erst als sie höher stieg, wurden Schatten und Farben normal.
Aus mehreren Kilometern Höhe bot sich ein immerhin beachtenswerter Rundblick. Nur wenige Wolkenfelder störten die Sicht.
Gut zwei Stunden später machte Feodora Munoz ihre Begleiter auf einen gewundenen Flußlauf aufmerksam. „Das ist der Rio Xingu", sagte sie. „Wir werden ihn bis Altamira unter uns sehen."
Für Außenstehende mochte es den Eindruck haben, als döse die Mulattin von nun an schläfrig vor sich hin. Dorian Hunter und Coco Zamis wußten hingegen, daß sie verzweifelt versuchte, die Gegend unter dem Flugzeug zu erkunden.
Abermals scheiterten ihre parapsychischen Kräfte. Feodora wand sich plötzlich wie unter Krämpfen; Schweiß trat auf ihre Stirn, und die Haut nahm einen grauen Farbton an.
Feodora saß allein in der Reihe vor dem Dämonenkiller und seiner Lebensgefährtin. Der Platz neben ihr war leer, wie überhaupt ein Teil aller Sitze. Bevor Coco sich erheben und neben sie setzen konnte, wurde eine Stewardeß aufmerksam.
„Ist Ihnen nicht gut, Senhorita?" erkundigte sich die Frau besorgt.
Feodora wollte abwehren, doch nur ein heiseres Stammeln drang über ihre Lippen.
„Sie haben Fieber." Besorgt legte die Stewardeß ihre Tand auf die Stirn der Mulattin. „Soll ich mich umhören, ob ein Arzt an Bord ist?"
Ächzend schüttelte Feodora den Kopf.
„Lassen Sie nur", wandte Dorian ein. „Die Frau fliegt mit uns zusammen. Der Anfall wird rasch vorübergehen."
„Sind Sie sicher, Senhor?"
„Ich kümmere mich schon um sie, danke."
„Trotzdem", beharrte die Stewardeß. „Bis wir in Altamira landen, vergehen noch zwanzig Minuten. Ich werde der Senhorita zumindest ein Aspirin auflösen." Dorian ließ sie tun, was sie für richtig hielt, obwohl er wußte, daß Medikamente der Mulattin nicht helfen konnten.
Die Allwetterstraße von Itaituba nach Altamira, die Verlängerung der Transamazönica, kam bereits in Sicht, als endlich Feodoras Schweißausbruch aufhörte. Furcht und Enttäuschung vermischten sich in ihrem Blick, mit dem sie den Dämonenkiller bedachte.
„Ich schaffte es nicht", brachte sie tonlos über die Lippen. „Dabei dachte ich…"
„Werde jetzt nicht leichtsinnig", warnte Coco. „Wir haben es offenbar mit einem starken Dämon zu tun."
Die Passagiere wurden aufgefordert, sich anzuschnallen; in wenigen Minuten würde die Landung erfolgen. Lächelnd kam die Stewardeß auf Feodora zu. „Alles wieder in Ordnung, Senhorita?" erkundigte sie sich mitfühlend.
„Danke", erwiderte die Mulattin kurz.
„Es war tatsächlich nur eine vorübergehende Schwäche", fügte Dorian hinzu.
„Vorerst bleibt das dein letzter Versuch, Lucio aufzuspüren", sagte Coco scharf. „Ich hoffe, wir sind uns darüber einig. Es wäre dumm, den Dämon vorzeitig auf uns aufmerksam zu machen."
„Aber… wie wollen wir meinen Bruder finden…"
„Wir finden ihn", bekräftigte Coco.
„Verlaß dich darauf." Dann lehnte sie sich zurück, schloß die Augen und konzentrierte sich. Aber sie spürte nichts. Alles war so normal, als gäbe es keine dämonischen Kräfte.
Im Vergleich zu den großzügigen Bauten Brasilias wirkte der Flughafen von Altamira rein zweckmäßig. Ein altertümliches Förderband brachte die Koffer aus der soeben gelandeten Maschine zur Sammelstelle, und obwohl nur wenige Fluggäste auf ihr Gepäck warteten, kam es zu einem ziemlichen Gedränge.
Durch einen Seitenausgang das Gebäude verlassend, gelangten Dorian und die Frauen auf einen Parkplatz. Der Himmel hatte sich bewölkt, es regnete leicht, und die Sonne war lediglich als verwaschener Fleck fahler Helligkeit auszumachen. Immerhin war es wärmer als in Brasilia, und das Klima des Amazonasbeckens machte sich bemerkbar.
Sie wurden bereits erwartet. Ein Mann kam auf sie zu, gut einen Kopf kleiner als Feodora, hager und mit deutlich erkennbarem asiatischen Einschlag. Er deutete eine Verbeugung vor Coco und Dorian an und wandte sich der Mulattin
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