1695 - Rasputins Erben
zu erkennen, denn mein Blickfeld wurde von dem Audi eingenommen, der sich rechts von uns und jetzt auf gleicher Höhe mit uns befand.
Ich hatte das Gefühl, mich in einem amerikanischen Actionfilm zu befinden. Ich saß günstig, und so schaute ich in den vorderen Teil des Audis, dessen Scheiben leicht abgedunkelt waren. Ich rechnete damit, dass der Mann auf dem Beifahrersitz eine Waffe in der Hand hielt, um zu schießen, doch das war seltsamerweise nicht der Fall. Niemand tat etwas. Der Wagen blieb nur länger auf unserer Höhe als eigentlich üblich.
Wollte er uns rammen?
Nein, er wurde plötzlich beschleunigt, und dann schauten wir auf sein Heck.
Beinahe hätte ich gelacht. Das war eine Aktion, mit der wohl keiner von uns gerechnet hatte. Sie stellte die gesamte Verfolgeraktion infrage.
Warum? Warum …
Zwei, drei Sekunden später erhielten wir die Antwort.
Es begann mit einem Laut, den unser Gefangener ausstieß. Er hörte sich an wie ein Röcheln. Zugleich beugte er sich nach vorn, ächzte noch einmal, trieb seinen Körper wieder zurück und presste ihn gegen den Sitz.
Es war der Augenblick, an dem sich alles veränderte und der auch uns völlig überraschend traf. Niemand von uns konnte etwas tun.
Wir hörten einen seltsamen Laut. So etwas wie einen stark reduzierten Knall.
Dann folgte der Schrei!
Und noch in derselben Sekunde brach der Bauch unseres Gefangenen auf.
Was nun folgte, war ein Albtraum. Blut, Fleisch, Gedärm, Sehnen und Knochenmasse wurden nach außen geschleudert und prallten gegen die Rückseiten der Vordersitze. Das Zeug spitzte hoch bis zur Nackenstütze.
Ich hatte mich instinktiv zur Seite bewegt, weil ich von der Masse nicht erwischt werden wollte. Einige Spritzer trafen mich trotzdem. Teile davon blieben auch am Fenster kleben und rannen langsam nach unten.
Suko hatte den Vorgang nicht richtig mitbekommen, weil er sich auf das Fahren konzentrieren musste. Er rief nur: »John, was ist da hinten los?«
»Fahr weiter!«
»Und dann?«
»Halt so schnell wie möglich an!«
Mehr sagte ich nicht, denn ich musste mich um unseren Gefangenen kümmern. Dazu wandte ich ihm den Kopf zu und sah jetzt, was mit ihm geschehen war. Der Mann war zur Seite gesunken und wurde praktisch von der geschlossenen Tür gehalten. Sein Gesicht war zu einer schmerzverzerrten Totenmaske geworden, und wenn ich den Blick senkte, dann sah ich, was mit ihm passiert war.
Die Bauchdecke war nicht mehr vorhanden. Sie war einfach weggeplatzt und hatte den Inhalt entlassen.
Der Mann lebte nicht mehr, und mir war auch der Grund klar, warum er nicht mehr lebte.
In seinem Körper hatte sich eine Bombe befunden, und sie war durch eine Fernzündung zum Explodieren gebracht worden …
***
Ich behielt dieses Wissen für mich, weil ich wollte, dass Suko den Rover anhielt. Der andere Wagen war längst verschwunden. Ich bemühte mich, nicht den Bauch des Mannes anzuschauen, der schrecklich aussah.
Suko hatte nicht viel gesehen, weil er sich auf die Fahrerei konzentrieren musste. Aber die Blicke in den Spiegel hatten ihm einiges gezeigt.
Gabriel Borodin hatte kurz den Kopf gedreht und nach hinten geschaut. Einen Kommentar gab er nicht ab, doch auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck des Entsetzens. Damit hatte niemand gerechnet, wir alle nicht.
Suko verlangsamte das Tempo. Wenig später rollte der Wagen in eine Nebenstraße. Vor einer Einfahrt, die frei gehalten werden musste und es auch war, hielten wir an. Ein Teil des Rovers stand dabei sogar auf dem Gehsteig.
Der Motor verstummte. Suko schnallte sich ab, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Er blickte zum Rücksitz hin, und ich sah, wie er erleichtert aufatmete.
Auch Borodin hatte sich umgedreht. Er sagte nichts, schüttelte nur den Kopf. Seine Augen waren weit geöffnet, auf der Stirn schimmerte Schweiß.
»Es ist ganz plötzlich passiert«, sagte ich mit leiser Stimme, »es hat mich überrascht und ich habe nichts tun können.«
»Und was ist genau geschehen, John?«
Ich musste erst mal schlucken, um antworten zu können. Leicht fiel es mir nicht. »Sie müssen ihm eine Bombe in den Körper implantiert haben. Die haben sie dann durch eine Fernbedienung gezündet. Eine andere Erklärung habe ich nicht.«
»Klar. Sie haben einen Zeugen ausgeschaltet. Er ist für sie zur Gefahr geworden.« Suko wandte sich an Borodin. »Oder haben Sie vielleicht eine andere Erklärung?«
»Nein, die habe ich nicht. Tut mir leid. Es muss so gewesen sein.«
»Haben Sie denn
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