17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Türkenherrschaft, während der Regierung der Bulgaren-Khane gewesen. Man weiß ja zum Beispiel von Khan Symeon, welcher vom Jahre 888 bis zum Jahre 927 regierte, daß unter ihm nicht nur das Reich seine größte Ausdehnung erlangte, sondern auch Handel, Künste und Wissenschaften freundliche Pflege fanden und an vielen Orten nach edlen Metallen gegraben wurde. Seine Herrschaft erstreckte sich nach Westen bis ungefähr zu dem heutigen Persien, also der Gegend, in welcher wir uns jetzt befanden. Da war es allerdings möglich, daß hier ein Schacht eingetrieben wurde. Die Grenze des Landes, welche hier vorüberzog, hatte man mit Wachttürmen besetzt, und einer dieser Karauls sollte speziell diesem Bergwerk zum Schutz dienen.
War diese Vermutung richtig, so durfte man annehmen, daß bei der großen Nähe der Grenze und also der feindlichen Völker dieser Schacht nicht in das Freie, sondern in den Turm gemündet hatte. Der Alim sprach von Gebäudetrümmern, welche bei demselben zu finden seien. Vielleicht auch hatte unter ihnen, also wenigstens im Schutz der Besatzung des Karauls, die Mündung gelegen.
Dazu kam, daß ich nicht an die Ausfüllung des Schachtes glaubte. Alte Bergwerke wirft man nur in zivilisierten Ländern zu. Der Türke hütet sich sehr, eine mühevolle Arbeit zu unternehmen, welche nur Kosten verursacht. Ihm ist es gleichgültig, ob irgendein Bulgare oder Albanese in das offen gelassene Mundloch eines Schachtes stürzt und da den Hals bricht. „Allah hat es gewollt!“ sagt er, und damit beruhigt er sich.
Wenn das Mundloch noch vorhanden war, so mußte es sich entweder im Karaul selbst oder in der Nähe desselben, maskiert von den Trümmern, befinden. Der Alim konnte mir gewiß Auskunft erteilen, aber es war mir unmöglich, ihn dazu zu zwingen. Ich konnte ihm nichts erpressen, von dem ich nicht genau und fest überzeugt war, daß er es wisse. Darum fragte ich in gleichgültigem Ton auf seine letzte Versicherung:
„Aber wo liegt denn da für uns die Gefahr, von welcher du sprachst?“
„Die kommt erst dann, wenn ihr den großen, runden Raum betretet, um den Gefangenen zu befreien.“
„Worin besteht sie?“
„Das weiß ich nicht. Und wenn ich es wüßte, würde ich es dir nicht sagen. Sobald man eine Gefahr kennt, ist sie eben keine Gefahr mehr.“
„Ich kann dich aber mit der Peitsche zwingen, es mir zu sagen!“
„Und wenn du mich totschlägst, kann ich dir nicht etwas sagen, was ich selbst nicht weiß. Wolltest du mich zwingen, so müßte ich, um den Prügeln zu entgehen, eine Lüge ersinnen, welche glaubwürdig erschiene.“
„Aber woher weißt du denn von dem Vorhandensein einer Gefahr?“
„Der Schut hat von ihr gesprochen. Er hat gesagt, daß jeder verloren sei, der ohne sein Wissen den runden Raum betrete. Er wird wohl irgendeine Vorrichtung angebracht haben, durch welche jeder unberufene Besucher der Ortes getötet wird.“
„Hm! Und wie findet man den Eingang zu dem beschriebenen Stollen?“
„Er ist nur vom Wasser aus zu erreichen. Man muß einen Kahn besteigen und eine Strecke im Fluß aufwärts fahren. Drüben am andern Ufer zieht sich die Straße hin, hüben aber, links, steigt eine steile Felswand aus dem Fluß auf. Wenn du genau aufpaßt, wirst du eine Stelle finden, an welcher diese Wand – und also auch der Fluß – eine Krümmung macht. Der Fluß ist da sehr tief, und eben dort befindet sich das Stollenloch, welches bei gewöhnlichem Wasserstand so hoch ist, daß man, im Kahn sitzend, grad hinein kann, ohne mit dem Kopf oben anzustoßen.“
„Und dieses Loch hat man erst vor kurzem bemerkt?“
„Ja, weil Kletterpflanzen von oben herabhängen und es vollständig verdecken. Man fährt mit dem Kahn hinein, so weit das Wasser reicht, und bindet ihn an einen starken Pflock, welcher in den Stein getrieben ist.“
„Das ist nicht ganz ungefährlich. Und auf diese Weise ist Stojko hineingeschafft worden?“
„Ja, auch der Engländer, welcher da bei dir steht. Du brauchst ihn nur zu fragen; er wird es dir gewiß bestätigen.“
„Gibt es dort unten noch andere Räumlichkeiten als den runden großen Raum und die daranstoßenden Zellen?“
„Nein. Sie liegen grad, aber tief im Karaul. Wir haben vergeblich nach einem Schacht gesucht, welcher zur Höhe führt. Er ist zugeschüttet worden.“
„Wer bringt denn den Gefangenen Speise und Trank?“
„Das weiß ich nicht.“
„Hast du deiner Beschreibung noch etwas beizufügen?“
„Nein. Ich habe dir
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