17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Medaille auf der Stirn, ein so prächtiges Pferd, daß ich sofort aufstieg, um es, wenn auch ohne Sattel, zu probieren. Es zeigte sich sehr feinfühlig gegen die Schenkel, hatte aber, wie ich gleich bemerkte, eine mir unbekannte Schule durchgemacht.
„Brillantes Viehzeug!“ meinte der Lord. „Nehmen wir es mit?“
„Natürlich“, antwortete ich. „Wir nehmen überhaupt alle Pferde mit, welche sich hier befinden. Nur der Dragoman behält das seinige da. Es könnte doch sein, daß es den Halunken auf irgendeine unvermutete Weise gelänge, aus der Höhle zu entkommen. Für diesen Fall wollen wir durch die Entfernung der Pferde wenigstens dafür sorgen, daß sie uns nicht schnell nachkommen können.“
„Well! So bitte ich mir den Goldfuchs aus! Habe während des Herweges auf einem Tier gesessen, welches ein Ziegenbock gewesen sein muß; tut mir jetzt noch mein ganzes Gestell weh. Ist mir zu Mut, als sei ich von Chimborasso heruntergekollert und unten noch über einen Urwald hinweggerollt. Habt doch hoffentlich nichts dagegen?“
„Gegen diese beneidenswerte Empfindung in eurem Gestell? Habe gar nichts dagegen.“
„Unsinn! Meine, daß ich den Fuchs reite?“
„Nehmt ihn immerhin!“
„Auf wie lange?“
„Das weiß ich freilich nicht, da er unser Eigentum nicht ist.“
„Wollt ihr auch hier den Herrn ausfindig machen?“
„Vielleicht. Ich traue dem Köhler kein solches Pferd zu. Es ist gestohlen. Vielleicht gehört es Stojko.“
„Hört, Master, Ihr habt zwei oder drei Eigenschaften, die mir nicht übel gefallen; andere Vorzüge aber entgehen Euch ganz und gar. Zum Stehlen zum Beispiel scheint Ihr kein Talent zu haben.“
„Besitzt Ihr es vielleicht?“
„Überflüssige Frage! Ein Lord stiehlt nie; aber diesen Fuchs würde ich mitnehmen, ohne mich groß zu bedenken. Haben ja das volle Recht, ihn als gute Beute zu betrachten!“
„Dem Spitzbuben ist eben alles gute Beute, was er auf die Seite zu bringen vermag. Führt die Pferde wieder fort! Wir wollen uns um das Feuer setzen und sehen, ob wir noch Bärenschinken genug für alle haben. Ein Stück Tatze für Sir David Lindsay ist noch da.“
„Bä – Bärenschinken? Bä – Bärentatze?“ fragte Lindsay, indem er den großen Mund gänzlich aufriß.
„Jawohl, Sir! Osco und Omar mögen unsere Pferde herbeiholen, denn bei diesen befinden sich die Leckerbissen, welche ich euch genannt habe.“
„Von einem wirklichen Bären?“
„Ja, sogar von einem Eisbären, welchen wir vorgestern im Sprenkel gefangen haben. Er ging sehr leicht ein, weil wir ihn mit Mehlwürmern geködert hatten.“
„Albernheit! Redet verständig, Sir! Habt Ihr wirklich Bär?“
„Nun ja. Es gelang uns, so ein Tierchen zu erlegen.“
„Hallo! Das müßt Ihr erzählen!“
„Laßt es Euch von Halef erzählen! Der hat ihn erlegt und also das Fell bekommen, an dem Ihr ersehen könnt, welch ein gewaltiger Petz es war.“
„Halef, der Kleine? Der hat einen Bär erlegt? Well! Ich traue es ihm zu. Dieser Hadschi springt durch Dick und Dünn, wenn es gilt, eine mutige Tat zu verrichten. Bären hier am Schar Dagh; wer hätte das gedacht! Halef, seid doch so gut und berichtet mir das Abenteuer!“
Der Hadschi versäumte nicht, dieser Aufforderung nachzukommen. Erzählen war seine größte Lust, besonders wenn es sich um eine Tat handelte, an welcher er selbst teilgenommen hatte. Er begann nach seiner bekannten Art und Weise:
„Ja, Herr, wir haben den Bären getroffen und den Riesen des Schar Dagh erlegt. Seine Spuren waren wie die Stapfen eines Elefanten, und seine Größe konnte die Völker der Erde erbeben machen. Dennoch ist unsere Kugel ihm in die Brust gedrungen, und unser Messer hat ihm das Leben zerschnitten. Er kann nun nicht mehr Pferdefleisch fressen und zum Nachtisch seinen Gaumen mit Himbeeren letzen. Wir haben seine Füße gebraten und die rechte Seite seines Ausruhens beinahe aufgespeist. Wie es gekommen ist, daß wir ihn ausgelöscht haben aus dem Register des irdischen Wandels, das sollst du erfahren, damit dir die halbe Tatze, welche wir noch haben, um so besser schmeckt.“
Bekanntlich verstanden Lindsay und Halef es, sich trotz ihrer gegenseitigen mangelhaften Sprachkenntnisse einander leidlich verständlich zu machen. Der Lord hatte einen kleinen Vorrat arabischer und türkischer Wörter gesammelt, und Halef hatte während der Zeit unseres Beisammenseins mit Lindsay sich möglichst Mühe gegeben, englische Ausdrücke aufzuschnappen und seinem
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