17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
geräumigen Stube, vielleicht zwölf Schritte lang und breit.
Als das Papier verbrannt war und wir wieder im Dunkeln standen, bemerkte ich unten am Boden der einen Seite einen milchglasähnlichen, viereckigen Schimmer. Ich ging hin, legte mich nieder und – sah ein langes Loch, welches in das Freie führte.
„Halef, hier befinden wir uns an dem Meilerloch, durch welches wir hineinkriechen sollten“, meldete ich erfreut. „Ich werde einmal hineinkriechen. Wenn ich mich nicht täusche, so muß ich Osco und Omar sehen können.“
Meine Vermutung bestätigte sich. Als ich so weit vorgekrochen war, als ich durfte, ohne gesehen zu werden, sah ich die beiden draußen sitzen, die Augen nach der Bank gerichtet und die Flinten schußfertig in den Händen.
Das genügte. Ich kroch wieder zurück.
„Nun machen wir Licht, nicht wahr?“ fragte Halef.
„Ja. Gib den Speck heraus. Der Hemdlappen dient als Docht.“
Ich trug den kleinen Topf mit dem Henkel am Gürtelriemen festgeschnallt. Jetzt machte ich ihn los. Das Bärenfett wurde hineingeschnitten und der Lappen zu einem Docht gedreht. Mit Hilfe eines Zündhölzchens hatten wir bald eine Fettfackel, welche zwar entsetzlich rauchte, aber den Raum vollständig erleuchtete.
Nun untersuchten wir die Wände. Sie bestanden aus massivem Fels, abgerechnet die schmale Mauer in der einen Ecke, über welche wir gestiegen waren. Es war klar: die Höhle bestand nur aus diesem einen Raum. Trotz allen Klopfens war nicht eine einzige hohl klingende Stelle zu finden. Nur einen Gegenstand gab es, der unsere Beachtung auf sich zog: ein viereckig behauener Stein, welcher neben dem Loch lag und genau in dasselbe paßte. Ein Ring, an welchem eine Kette hing, war in denselben eingegossen.
„Das ist der Verschluß“, sagte Halef.
„Ja. Er ist aber nur dann nötig, wenn sich ein Gefangener hier befindet. Dann wird die Öffnung mit diesem Stein verschlossen und dieser selbst mittels der Kette draußen so befestigt, daß er von innen nicht entfernt werden kann.“
„Denkst du, daß hier zuweilen Gefangene stecken?“
„Jawohl. Morgen abend kommt einer an, und du wirst dich wundern, wenn du erfährst, wer es ist.“
„Nun, wer?“
„Davon später unterwegs. Auch werden hier Menschen getötet. Mit uns hatte der Köhler dieselbe Absicht. Wir sollten vorankriechen. Er hätte hinter uns den Meiler in Brand gesteckt, und weil das Loch, in welchem die Strickleiter hängt, wie eine hohe Fabrikesse wirkt, wäre der Rauch hier herein gedrungen und hätte uns in wenigen Minuten erstickt.“
„Allah 'l Allah! Wehe diesem Köhler, wenn ich jetzt wieder hinauskomme!“
„Du wirst ihm gar nichts sagen und gar nichts tun. Ich habe einen sehr triftigen Grund, ihm noch zu verheimlichen, was ich weiß.“
„Aber wir reiten fort und sehen ihn niemals wieder!“
„Wir reiten fort und sehen ihn schon morgen wieder. Jetzt wissen wir genug und steigen wieder empor.“
Das Feuer wurde ausgelöscht, und nun mußten wir freilich warten, bis Topf und Fett erkaltet waren. Dann traten wir den Rückweg an und sorgten dabei dafür, daß die Strickleiter nun wieder hinter der Mauer zu finden war.
Als wir dann droben vor der Eiche standen, holten wir tief Atem. Es ist doch nichts ganz Angenehmes, eine solche Fahrt in die ungewisse Tiefe zu machen. Was hätte dabei alles geschehen können! Wäre zufälligerweise jemand unten gewesen und hätte uns eine Kugel entgegengeschickt! Es grauste mir, als ich daran dachte.
Nun wurde das Fett aus dem Topf entfernt und weggeworfen. Minze fanden wir auf dem Rückweg nicht, aber um den Schein zu wahren, raufte ich einige andere Pflänzchen aus, die ich dem Rappen geben konnte. Halef machte sich den Spaß und sammelte die langen schwarzen Schnecken, die wir erblickten. Sie waren unten zwischen den Büschen so zahlreich, daß er den Topf voll bekam.
Natürlich taten wir so, als ob wir aus der entgegengesetzten Richtung kämen. Ich gab meinem Rappen die Pflänzchen zu fressen; Halef strich ihm eine der Schnecken um die Nüstern und trug dann den Topf mit den andern in die Stube. Als er wieder herauskam, machte er ein so seelenvergnügtes Gesicht, daß ich ihn fragte:
„Wo hast du sie denn hingetan?“
„Ich habe sie in die Tasche des Kaftans geschüttet, welcher drin hängt.“
„Das ist freilich eine sehr große Heldentat, auf welche du stolz sein kannst. Der berühmte Hadschi Halef Omar beginnt, Jungenstreiche auszuführen!“
Er lächelte in sich hinein.
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