17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Bevor wir dort irgendeine Veranstaltung zu seiner Befreiung treffen können, befindet er sich unterwegs nach der Höhle.“
„Nun gut, so reiten wir jetzt gar nicht nach Rugova, sondern wir bleiben heimlich hier und holen ihn heraus. Das ist gar nicht gefährlich und wird uns nicht schwerfallen, weil wir den geheimen Eingang kennen.“
Grad das, was er jetzt vorschlug, hatte ich mir bereits fest vorgenommen. Es war der sicherste Weg zur Befreiung des Lords. Dennoch antwortete ich kopfschüttelnd:
„Das geht nicht, lieber Halef.“
„Warum denn nicht?“
„Weil wir dabei unsere kostbare Zeit versäumen würden.“
„Was gilt die Zeit, wenn es sich darum handelt, einen Unglücklichen zu retten!“
„Wenn wir allen Unglücklichen helfen wollten, so müßten wir uns vertausendfachen können. Jeder mag für sich selbst sorgen.“
„Aber, Sihdi, ich kenne dich ja gar nicht mehr!“
„Der Inglis geht mich nichts an. Ist er so unvorsichtig, die Räuber auf sein vieles Geld aufmerksam zu machen, so mag er auch die Folgen tragen. Ich habe gar nichts mit ihm zu schaffen gehabt. Er ist ein Lord und heißt David Lindsay, ein Name, der uns vollständig unbekannt ist.“
Ich hatte das möglichst gleichmütig gesagt; aber kaum war der Name über meine Lippen, so riß Halef in die Zügel, daß sein Pferd hinten in die Hacken sank.
„Lindsay? David Lindsay?“ schrie er überlaut. „Ist das wahr?“
„Ja. Der Name wurde deutlich genannt. Der Lord soll ein grau gekleideter Kerl sein – mit blauer Brille, mit langer, roter Nase und mit einem sehr breiten Mund.“
„Sihdi, bist du verrückt!“
Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Auch die beiden andern waren ganz erstaunt.
„Verrückt?“ fragte ich. „Wie kommst du denn auf diese beleidigende Idee?“
„Weil du behauptest, diesen Lord nicht zu kennen.“
„Nun, kennst du ihn denn?“
„Natürlich! Natürlich! Er ist ja unser Lord, welcher mit uns durch ganz Kurdistan, nach Bagdad und –“
Er hielt inne. Sein Erstaunen war so groß, daß ihm die Stimme versagte. Noch immer hielt er das Auge groß auf mich gerichtet.
„Was denn für ein Lord?“ fragte ich.
„Nun, unser – unser Lord, den wir aber nicht Lord, sondern nur Sir Lindsay nennen durften! Bist du denn des Teufels, daß du diesen Bekannten so plötzlich und so ganz und gar vergessen hast!“
Die beiden andern sahen es mir wohl an, daß mir der Schalk im Nacken saß.
„Aber, Halef!“ rief Osco. „Meinst du denn wirklich, daß der Sihdi den Lord nicht kennt? Er will sich ja nur an unserm Erstaunen weiden!“
„Ah, so ist das, so! Nun, dann weide dich, Sihdi, weide dich! Denn meine Verwunderung ist so groß, daß ich gar keine Worte finde. Also es ist unser Lord in Wirklichkeit?“
„Leider.“
„Und du willst ihn nicht retten?“
„Nun, wenn du meinst, so dürfen wir ihn freilich nicht stecken lassen.“
„Nein, das geht nicht, ganz und gar nicht. Aber wie kommt er denn so schnell nach Rugova?“
„Das weiß ich freilich nicht. Um es zu erfahren, müssen wir zu ihm in die Höhle, damit wir ihn fragen können.“
„Allah sei Dank! Endlich kommt dir der Verstand wieder!“
„Ja, er war mir ganz abhanden gekommen vor Schreck über das Gesicht, welches du machtest. Ich habe es ganz allein dir überlassen, nachzudenken, und wir werden den Plan ausführen, welchen du uns vorgeschlagen hast.“
„Den letzten?“
„Ja. Wir verstecken uns hier in der Nähe bis morgen nachts. Das wird sowohl uns als auch den Pferden höchst dienlich sein, denn seit Konstantinopel haben wir keine wirkliche, ausgiebige Ruhe gehabt. Und selbst dort in Stambul sind wir des Nachts tätig gewesen.“
„So gibst du also zu, daß mein Plan sehr gut ist?“
„Außerordentlich!“
„Ja, ich bin dein Freund und Beschützer und verstehe es, einen vortrefflichen Sefer tertibi (Feldzugsplan) zu entwerfen. Wer mit mir reitet, der befindet sich in sehr guter Obhut. Das werdet ihr nun endlich einsehen. Auf diesen klugen Plan wäre kein anderer gekommen!“
„Nein! Leider aber habe ich just deswegen, um diesen Plan auszuführen, die Höhle untersucht.“
„Wie – wa – was? Du hattest dieselbe Absicht schon vorhin gehabt?“
„Jawohl. Sobald ich den Namen des Lords hörte, war ich entschlossen, ihn aus der Höhle zu holen.“
„O – ja! Jetzt kannst du gut so sagen; diese Klugheit kennt man ja!“
„Nun, so magst du annehmen, daß dieser Plan deine eigene Erfindung sei,
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