17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Meine Bemerkung war nicht geeignet, ihn zu beleidigen.
Als wir nun zu Osco und Omar traten, meldeten die beiden, daß nichts Störendes vorgekommen sei. Der Köhler konnte aber seine Ungeduld nicht länger beherrschen und sagte:
„Jetzt bist du wieder da. Nun wirst du uns wohl erlauben, die Bank zu verlassen?“
„Noch nicht. Ihr werdet nicht eher aufstehen, als bis wir zu Pferd sitzen.“
„Und wann reitet ihr fort?“
„Sogleich. Wir lassen dir für deinen freundlichen Empfang eine ebenso freundliche Ermahnung zurück: verschütte deine Juwelenhöhle und versuche nicht wieder, jemand hineinzulocken. Es könnte sonst leicht das Schicksal, welches du andern bereitest, dich selbst ereilen.“
„Was du damit sagen willst, weiß ich nicht.“
„Denke darüber nach! Ich bin überzeugt, daß du dann mich bald verstehen wirst. Wenn ich wiederkomme, wird es sich zeigen, ob du meine Warnung befolgt hast.“
„Du willst wiederkommen? – Wann?“
„Wann es notwendig ist, früher nicht, auch nicht später.“
„Herr, du machst mir ein Gesicht, als ob ich der schlechteste Mensch des Erdbodens sei.“
„Der bist du auch, obgleich es andere gibt, die es im Bösen auch fast so weit gebracht haben, wie du.“
„Was für Böses soll ich begangen haben? – Was könntest du mir beweisen?“
„Vor allen Dingen bist du ein Lügner. Du hast behauptet, den Namen der Aladschy nicht zu kennen. Und doch haben sie sich wiederholt bei dir aufgehalten und sind sogar von den Soldaten hier gesucht worden.“
„Das ist nicht wahr. Ich habe ihren Namen nie gehört und sie noch viel weniger hier bei mir gesehen.“
„Wie kommst du dann dazu, ihre Pferde hier versteckt zu halten?“
„Ihre – Pferde?“ fragte er stockend.
„Ja. Ich sah sie stehen.“
„Was? Wie? Sollten diese Menschen hier sein, ohne daß ich es weiß?“
„Sei still! Glaube ja nicht, Knaben vor dir zu haben. Eben daß ihr euch für klüger haltet als uns, dies hat euch das Spiel verdorben und wird es euch auch weiterhin verderben. Willst du etwa leugnen, daß dein Schwager, der Kohlenhändler, heute bei dir gewesen ist?“
„Hat er kommen wollen? Ich habe ihn nicht gesehen.“
„Er behauptet aber, bei dir gewesen und sodann in die Schlucht des Teufels gegangen zu sein, wo wir überfallen werden sollten.“
„Herr, du sprichst schreckliche Worte. Ihr hättet euch in einer solchen Gefahr befunden?“
„Nicht wir, sondern deine Freunde. Für uns gab es keine Gefahr. Ihr seid ja nicht die Männer, vor denen man sich fürchten müßte. Aber für deine Spießgesellen war die Gefahr sehr groß, und sie sind ihr erlegen.“
Er fuhr erschrocken von seinem Sitz auf.
„Erlegen?“ fragte er, beinahe stammelnd. „Was ist denn geschehen?“
„Ganz genau das, was sie beabsichtigten, nämlich ein Überfall, doch mit dem Unterschied, daß sie überfallen wurden.“
„Sie? – Von wem?“
„Von uns natürlich. Dieser mein Hadschi Halef Omar und ich, wir allein, haben sie überfallen, sie, die ihrer sechs wohlbewaffnete Männer waren. Zwei von ihnen sind tot – sind von der Felsenbastei herabgeschmettert. Die andern haben wir gefesselt, auch den Konakdschy, unsern verräterischen Führer. Ich sage euch das, um euch zu beweisen, daß wir diese Tölpel nicht fürchten. Ihr müßt hingehen und sie losbinden, damit sie uns auch weiterhin verfolgen können. Sagt ihnen aber, daß wir bei der nächsten Gelegenheit ihr Leben nicht mehr schonen werden. Und ebenso wie über ihnen schwebt auch über euch der Tod, wenn ihr euch nicht von uns warnen laßt. Das ist es, was ich euch zu sagen habe. Und nun könnt ihr euch entfernen; ihr seid frei.“
Wir nahmen unsere Waffen auf und stiegen in die Sättel. Die beiden machten zunächst von ihrer Freiheit keinen Gebrauch. Sie standen starr vor Schreck. Als wir uns schon eine Strecke entfernt hatten und ich mich nach ihnen umblickte, sah ich sie noch so stehen.
Von dem freien Platz, auf welchem das Haus stand, führten Wagengleise nach Süden und nach Westen. Wir schlugen die letztere Richtung ein. Die Felsenwände wichen dort voneinander zurück, und wir gelangten in das zweite, noch größere Tal, von welchem der Köhler gesprochen hatte. Die Gleise waren so deutlich, daß man ihnen leicht folgen konnte.
Der Boden war mit saftigem Gras bewachsen; er bildete eine kleine Prärie, auf der weder Baum noch Busch stand. Vor uns in der Ferne erhob sich die Bergkette, an welcher das Gleis sich teilen
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