17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
sollte.
Bis jetzt hatten wir unsern Weg schweigend verfolgt. Nun aber erzählte ich den Gefährten alles, was ich erlauscht und erspäht hatte. Nur den Namen des Lords nannte ich nicht. Sie waren im höchsten Grad erstaunt über das, was sie hörten. Halef richtete sich im Sattel auf und rief:
„Hamdullillah! Jetzt wissen wir endlich, was uns nötig ist. Jetzt kennen wir den Namen und die ‚Wohnung‘ des Schut und werden den Kaufmann Galingré befreien. Dieser Hamd el Amasat aber, welcher ihn dem Schut überliefert hat, soll seinen Lohn erhalten für all seine Missetaten. Er hat meinen Freund Sadek vom Stamm der Merasig getötet. Dieser war der berühmteste Führer über den Schott Dscherid und ist von der Kugel dieses Mörders gefallen, den dafür die meinige treffen wird!“
„Die deinige?“ fragte Omar, indem er seinem Pferd die Sporen gab, daß es sich hoch aufbäumte. „Hast du vergessen, daß ich der Sohn Sadeks bin? Habe ich diesen Mörder nicht verfolgt durch die Hälfte der Sahara? Er ist mir entgangen. Nun aber, da ich weiß, wo er ist, bin ich es allein, der mit ihm zu sprechen hat. Oder hast du es nicht gehört, welchen Schwur ich tat dort auf dem Salz des Schotts, als ich von dir und von dem Sihdi erfuhr, daß Hamd el Amasat, der sich damals Abu en Nassr nannte, meinen Vater ermordet habe? Noch weiß ich jedes Wort dieses Schwurs. Er lautete: ‚Allah, du Gott der Allmacht und Gerechtigkeit, höre mich! Mohammed, du Prophet des Allerhöchsten, höre mich! Ihr Kalifen und Märtyrer des Glaubens, hört mich! Ich, Omar Ben Sadek, werde nicht eher lachen, nicht eher meinen Bart beschneiden, nicht eher die Moschee besuchen, als bis die Dschehennah aufgenommen hat den Mörder meines Vaters. Ich schwöre es!‘ So habe ich damals gesagt, und nun sollt ihr mir bestätigen, daß ich meinen Schwur gehalten habe. Habt ihr mich lachen hören? Bin ich in eine Moschee zum Gebet gegangen? Hat eine Schere meinen Bart berührt, welcher mir fast bis auf die Brust gewachsen ist? Und nun, da ich endlich, endlich den Mörder meines Vaters treffen werde, soll ich ihn andern überlassen? Nein, Hadschi Halef Omar, das darfst du nicht von mir verlangen! Derjenige, der sich an ihm vergreift, wird mein ärgster Feind, und wenn er vorher mein bester Freund gewesen, ja, und wenn es unser Effendi selbst wäre!“
Omar war in diesem Augenblick der echte Wüstensohn. Seine Augen funkelten, und seine Zähne knirschten gegeneinander. An Versöhnlichkeit und Gnade war da nicht zu denken. Der unerbittliche Ton, in welchem er gesprochen hatte, machte einen solchen Eindruck auf uns, daß wir eine ganze Weile in tiefem Schweigen verharrten. Dann war, wie gewöhnlich, Halef der erste, welcher wieder das Wort ergriff:
„Du hast uns alles gesagt, Effendi, aber eines verstehe ich nicht. Wo reiten wir hin?“
„Nach Rugova zum Schut.“
„Das ist sehr gut, aber ich hätte dir doch mehr Menschenfreundlichkeit zugetraut!“
„Habe ich sie nicht?“
„Nein. Du weißt, daß ein Unglücklicher in die Höhle geschleppt werden soll, noch dazu ein Abendländer, wie du, und doch tust du nicht im mindesten so, als ob du ihn retten könntest und retten wolltest.“
„Ich wüßte nicht, wie ich das anfangen sollte“, antwortete ich in einem recht gleichgültigen Ton.
„Nicht? Allah! Sind deine Gedanken auf einmal so schwach geworden?“
„Ich glaube nicht.“
„Aber ich glaube es. Nichts ist leichter, als zu wissen, wie man diesem Mann helfen kann.“
„Nun, wie denn?“
„Indem wir unseren Pferden die Sporen geben und im Galopp nach Rugova reiten, um zu verhindern, daß er überhaupt festgenommen wird.“
„Wir kämen zu spät, denn wir würden erst während der Nacht dort anlangen.“
„So suchen wir gleich den Karaul auf und befreien ihn, daß er nicht nach der Höhle geschafft werden kann.“
„Wo ist der Karaul? Wie kommen wir hinein? Wo steckt er da? Wie ist es möglich, ihn so schnell herauszubringen? Fallen dir vielleicht die Antworten auf diese Fragen vom Himmel herab?“
„Meinst du, daß es so schwer ist?“
„Nicht nur schwer, sondern ganz unmöglich. Wenn wir in tiefer Nacht dort ankommen, bei wem willst du die notwendigen Erkundigungen einziehen? Jedermann schläft, und eben derjenige, welcher wacht, ist wahrscheinlich ein Anhänger des Schut. Können wir hinkommen, fragen, den Karaul stürmen, das alles in einer halben Stunde?“
„Freilich nicht.“
„Schon am Abend wird der Inglis ergriffen.
Weitere Kostenlose Bücher