17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
warten.
Ich schlich bis zum Meiler hin, wo ich schon vorher gewesen war, und lauschte. Ja, sie sprachen miteinander, aber leise, so daß ich nichts Deutliches hören konnte. Natürlich wiederholte ich mein voriges Experiment, indem ich leise bis unter den Goldregen kroch, und nun konnte ich ihre Worte besser vernehmen.
Leider hatte ich vielleicht grad die Hauptsache versäumt, doch was ich hörte, war immerhin von Wichtigkeit für mich; denn als ich mich auf der Erde gemächlich eingerichtet hatte, hörte ich den ‚Gelehrten‘ sagen:
„Und wie kamst du auf den Gedanken, sie nach Westen zu weisen? Dahin muß ich ja auch.“
„Natürlich mußt du hin, und ich begleite dich. Meine Knechte gehen auch mit, denn du kennst die Örtlichkeit nicht. Das Gleis, welches ich ihnen als das richtige bezeichnet habe, ist das falsche. Es führt sie in eine lange Schlucht, welche keinen Ausgang hat.“
„So kehren sie einfach um!“
„Allerdings; aber dann sind wir auch schon dort. Es ist ein Weg, den wir ausgefahren haben, um Meilerholz herbeizuschaffen. Wenn sie ihm von da an, wo er die Schlucht erreicht hat, eine halbe Stunde gefolgt sind, halten sie vor einer Felswand, an deren Fuß sich ein tiefer Teich gebildet hat. Sie müssen zurück und brauchen wieder eine halbe Stunde, um aus der Schlucht zu kommen. Das gibt uns mehr als genug Zeit, ihnen zu folgen und uns an einem geeigneten Ort zu verstecken. Von da aus schießen wir sie nieder.“
„Das könnten wir vielleicht schon hier tun, noch bevor sie aufbrechen.“
„Nein. Wenn nur ein einziger von ihnen entkommt, ist alles verraten. Sobald sie sich entfernt haben, gebe ich meinen Knechten das Zeichen. Sie brauchen kaum fünf Minuten, um bei uns zu sein. Wir besteigen die Pferde der Aladschy und der andern und folgen diesen Wichten auf der Ferse. Gewehre habe ich genug. Daß dieser Deutsche sie sehen mußte! Daran hatte ich freilich nicht gedacht, als ich ihn in das Haus schickte.“
„Ich weiß überhaupt nicht, was ich von ihm denken soll.“
„Ich werde auch nicht klug aus ihm!“
„Einmal macht er ein ganz dummes Gesicht und spricht die Worte eines Albernen, und dann wieder hat er ganz das Aussehen eines Mannes, vor dem man sich nicht genug hüten kann. Aber siehst du, daß ich recht hatte! Der Überfall ist mißlungen.“
„Das kann ich nicht begreifen. Selbst wenn der Konakdschy so dumm gewesen ist, die Fremden zu verlassen, sind diese doch durch die Schlucht des Teufels gekommen, wo sie von unseren Freunde bemerkt werden mußten. Diese müssen geschlafen haben.“
„Oder der Deutsche hat sie überfallen!“
„Das ist völlig undenkbar. Erstens hatte er ja gar keine Ahnung, daß er angegriffen werden sollte. Zweitens wußte er den Aufstieg nicht. Und drittens, wenn er beides gewußt hätte, wäre dennoch der Überfall seinerseits unmöglich gewesen. Es könnte nur eine Erstürmung stattgefunden haben. Dabei aber wären diese Wichte alle ums Leben gekommen. Man hätte sie natürlich von oben herab totgeschossen. Die Sache ist mir ein unlösbares Rätsel.“
„Es wird sich bald aufklären.“
„Natürlich! Ich würde selbst nach der Bastei gehen oder einen meiner Knechte hinschicken; aber wir können doch nicht fort. Diese verdammten beiden Schufte lassen ja kein Auge von uns und haben die Finger stets am Drücker.“
„Wollen doch einmal versuchen, ob sie mit sich reden lassen!“
„Ich versuche es nicht. Wage du es.“
„Wollen sehen!“
Der Alim machte eine Bewegung zum Aufstehen. Da aber hörte ich Oscos befehlende Stimme:
„Nieder!“
Zugleich sah ich, zwischen den Beinen der beiden hindurchblickend, daß Osco und Omar ihre Gewehre an die Backen nahmen. Der Gelehrte sank wieder nieder und rief:
„Darf man sich denn nicht wenigstens einmal rühren?“
„Nein, auch nicht sprechen. Noch ein Wort, so schießen wir!“
Die beiden machten sich in Flüchen und Verwünschungen Luft; ich wußte nun, daß ich mich auf die Wachsamkeit der Gefährten verlassen konnte, und kroch langsam aus den Büschen zurück, um mich zu Halef zu begeben.
„Hast du etwas gehört?“ fragte dieser, als ich bei ihm anlangte.
„Ja, aber davon später. Komm schnell!“
Wir folgten dem Pfad und sahen bald, daß ich ganz richtig vermutet hatte, dieser schmale Weg führte zur Höhe. Er lenkte in einen Felsenriß, in welchem er als steile Zickzacklinie emporstieg.
Als wir oben anlangten, waren vielleicht sechs bis acht Minuten vergangen. Da sahen wir
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