17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
antwortete ich, als wäre dies das Normalste der Welt. » Auch wenn sie kein bisschen so aussieht. Ich meine, wer vermutet bei einer sommersprossigen rotblonden Frau schon, dass sie eine Hexe ist?« Ohne Amelia zu Wort kommen zu lassen, plauderte ich ohne Punkt und Komma weiter. » Meistens arbeitet Miranda per Telefon und Computer– Horoskope, Wahrsagen, Zauberbann und solche Sachen–, aber sie wird bestimmt nichts dagegen haben, Sie persönlich zu treffen.«
» Ich will sie gar nicht treffen«, sagte Amelia, » es sei denn, sie weiß etwas über Gamaliel Gowland.«
» Gamaliel… wer?«
» Gamaliel Gowland. Der Mann, der die geheimen Aufzeichnungen verfasst hat.«
» Was für geheime Aufzeichnungen?« Ich spürte ein vertrautes Kribbeln im Kopf.
» Aufzeichnungen, in denen er die Geschichte von Mistress Meg erzählt«, sagte Amelia.
» Und Mistress Meg ist…?«
» Die Hexe, von der Gamaliel berichtet, natürlich«, sagte Amelia leicht ungeduldig. » Mistress Meg war auch unter dem Namen Margaret Redfearn bekannt. Sagt Ihnen einer der Namen etwas?«
» Nein«, sagte ich, brannte aber darauf, mehr über diese Frau zu hören.
» Na ja«, sagte Amelia seufzend, » ich hatte auch nicht erwartet, gleich an meinem ersten Tag in Finch mehr über sie herauszufinden.«
Sie schenkte sich Tee nach und nippte in aller Ruhe daran, als wäre das Thema für sie erledigt und als wollte sie sich wieder anderen, wichtigeren Aufgaben widmen, aber ich weigerte mich, das Feld zu räumen. Als vollwertiges Mitglied der Wichtigtuer-Gesellschaft von Finch war mir der Gedanke unerträglich, dass eine Neuzugezogene mehr über mein Dorf wusste als ich.
» Und diese Mistress Meg hat in Finch gelebt?«, fragte ich. » Und warum hat Gamaliel heimlich ihre Geschichte aufgezeichnet? Und wer ist dieser Gamaliel Gowland überhaupt?«
Statt meine Fragen zu beantworten, stellte Amelia ihr Marmeladenglas auf das Tablett, stand auf und begab sich zu dem Kirschbaumsekretär. Sie zog die oberste Schublade unter der schrägen Schreibfläche auf und kehrte mit einer überladen dekorierten Plätzchendose zurück, deren Motiv der Krönung von Elizabeth II . gedachte.
Sie stellte die Dose auf den Couchtisch, öffnete sie und holte ein kleines handgeschriebenes Schriftstück heraus, das in einer Klarsichtfolie steckte. Ohne ein Wort reichte sie mir das geheimnisvolle Dokument.
Ich betrachtete das kleine Stück Pergament– es maß nicht mehr als zehn auf fünfzehn Zentimeter–, das dicht mit einem lateinischen Text beschrieben war. Statt eines Punktes prangte am Ende des Textes ein merkwürdiges Zeichen, ein schwarzes Kreuz in einer schildförmigen Raute.
» Wenn Sie mit Keats und Homer vertraut sind«, sagte Amelia, » müssen Sie gebildet sein. Was sagt Ihnen dieser Text?«
» Ich kann kein Latein«, sagte ich. » Und ich weiß auch nicht, was diese Glyphe am Ende des Textes bedeutet, weil ich so etwas noch nie gesehen habe.« Ich besah mir das Schriftstück näher. » Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Schreiber einen Federkiel benutzte– sehr wahrscheinlich einen Gänsefederkiel– und Eisengallustinte, die aus Gänsegalle und ein paar weiteren Zutaten hergestellt wird. Grob geschätzt würde ich sagen, dass der Schreiber dieses Textes in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts gelebt hat. Es ist schwierig, eine Handschrift genau zu datieren, weil oftmals noch ein alter Schreibstil benutzt wird, wenn bereits eine neue Stilrichtung in Mode gekommen ist.«
» Ich bin beeindruckt«, sagte Amelia.
» Ich habe früher als Bibliothekarin gearbeitet und war für seltene Bücher und Manuskripte zuständig«, erklärte ich, während ich ihr das Pergament zurückgab. » Wissen Sie, was darin steht?«
» Ja, dank Alfie. Er hat das Dokument…« Ihre Stimme erstarb, und sie sah mich unsicher an. » Ich will Sie nicht langweilen, Lori. Sie sagen mir doch, wenn ich aufhören soll, nicht wahr?«
» Keine Sorge. Manche Menschen mögen Comic-Bücher, wieder andere Thriller. Und ich liebe altes, staubiges Zeug.« Ich deutete auf das Pergament. » Das da ist für mich, was für andere Kino und Pizza ist.«
» Dann bin ich ja beruhigt.« Amelia legte das Dokument wieder in die Gebäckdose zurück, befeuchtete die Kehle mit einem Schluck Tee und begann zu erzählen: » Mein Bruder Alfred war unverheiratet und hatte keine Kinder. Da er außer mir keine Geschwister hatte, habe ich alles geerbt, was er hinterließ. Dieses Stück Pergament entdeckte ich nach
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