17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
Couchtisch, schlug die Hände vor der Brust zusammen und drehte sich im Kreis, um ihr Wohnzimmer befreit von dem ganzen Verpackungsmaterial in Augenschein zu nehmen.
» Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Lori«, sagte sie schließlich. » Was Sie in zwanzig Minuten geschafft haben, hätte mich einen ganzen Tag gekostet.« Sie setzte sich in einen der Sessel und bedeutete mir, im anderen Platz zu nehmen. » Bitte, erzählen Sie mir doch von Ihren beiden Jungen.«
Es fiel mir nicht leicht, diese herzliche Einladung zum Schwärmen über meine Söhne auszuschlagen, aber es gelang mir dennoch. Ich wollte endlich zum Geschäftlichen übergehen.
» Ich werde Ihnen Rob und Will gern demnächst vorstellen«, sagte ich. » Aber jetzt möchte ich Ihnen erst eine Frage stellen.«
» Natürlich.«
» Sind Sie Mae Bowen, die berühmte Künstlerin?« Ich ließ mich in meinem Sessel zurücksinken und umklammerte die Armstützen, wappnete mich innerlich gegen einen Wutausbruch und Beschuldigungen, aber keine der von Dimity heraufbeschworenen möglichen Reaktionen erfolgte. Wenngleich Mrs Thistles Züge ein wenig entglitten, schien sie sich mehr über sich selbst zu ärgern als über mich.
» Verflixt!«, sagte sie ruhig. » Ich wusste, dass es früher oder später herauskäme, aber gleich vom ersten Besucher, der des Weges kommt, entlarvt zu werden, ist äußerst entmutigend.« Sie zuckte hilflos die Schultern. » Ich bin einfach nicht für so etwas geschaffen.«
» Was meinen Sie damit?«
» Fürs Tarnen und Täuschen. Ich habe einfach keinen Kopf dafür. Mein verstorbener Mann pflegte zu sagen, ich sei unschuldig wie ein Kätzchen, aber er hatte Unrecht. Ein Kätzchen hätte sich besser versteckt als ich.«
» Immerhin haben Sie einen neuen Namen erfunden«, sagte ich aufmunternd.
» Nein, habe ich nicht«, erwiderte sie verdrießlich. » Man müsste doch annehmen, dass eine Künstlerin in der Lage ist, sich ein anständiges Pseudonym zuzulegen, aber nicht mal dazu war ich in der Lage. Ich war so mit dem Hausverkauf und der Auktion beschäftigt und dem Einpacken des ganzen Kleinzeugs, dass ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte.«
» Wenn Sie sich Ihr Pseudonym nicht selbst ausgedacht haben, wer hat es dann getan?«
» Ich habe den Namen nicht erfunden. Ich bin Amelia Thistle.«
» Ich dachte, Sie seien Mae Bowen«, sagte ich verwirrt.
» Die bin ich auch. Ich bin Mae Bowen und Amelia Thistle.« Sie atmete tief durch, ehe sie fortfuhr: » Ich bin auf den Namen Amelia Bowen getauft, aber meine Familie nannte mich Mae, und ich habe meine Bilder immer mit Mae Bowen signiert. Als ich später dann heiratete, nahm ich den Namen meines Mannes an und hieß von da an Amelia Thistle. Aber ich behielt Mae Bowen als Künstlername bei, da ich inzwischen schon einigermaßen berühmt war und es zu verwirrend gewesen wäre, wenn ich meine Werke plötzlich mit einem anderen Namen signiert hätte.«
» Ich verstehe«, sagte ich, obwohl sich mir der Kopf ein wenig drehte. » Amelia Thistle ist Ihr Ehename und Mae Bowen Ihr Künstlername.«
» Ich betrachte Amelia Thistle lieber als meinen privaten Namen und Mae Bowen als meinen Künstlernamen. Ich habe gehofft, wenn ich meinen privaten Namen benutzte, würde mir das automatisch mehr Privatsphäre verschaffen, aber das war eine törichte Hoffnung. Beide Namen sind öffentlich dokumentiert, sodass jeder meinen bürgerlichen Namen nachschlagen und ihn mit mir in Verbindung bringen kann. Ehrlich«, sagte sie mit einem wehmütigen Seufzer, » ein Blinder mit einem Krückstock könnte mich entlarven. Wie gesagt, ich habe keinerlei Begabung zum Tarnen und Täuschen.«
Dieses vermeintliche Manko schien sie tatsächlich zu bedrücken, sodass ich mich bemüßigt fühlte, sie zu trösten.
» Es erstaunt mich überhaupt nicht, dass es jemandem, der so malt wie Sie, schwerfällt zu lügen«, sagte ich. » Wie hat Keats noch mal gesagt: › Schönheit ist Wahrheit und Wahrheit ist Schönheit– das ist alles, was wir auf Erden wissen müssen.‹«
» Schönheit? Wahrheit?«, rief sie aus. » Ach, meine Liebe.« Sie wandte das Gesicht zum Kamin und starrte entmutigt ins Feuer. » Ich hatte gehofft, wir könnten Freunde werden, Lori, aber wenn Sie mir um zehn Uhr morgens mit Keats kommen, kann das nur eines bedeuten: Sie sind eine von ihnen.«
» Eine von ihnen…«, wiederholte ich zögernd, bis ich begriff, worauf sie anspielte. » Sie denken, ich sei eine
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