17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
gleiten und stand auf. » Wollen Sie sich mit mir in die Kirche begeben, Mrs Thistle?«
» Aber sicher, Mr Willis«, antwortete Amelia und erhob sich ebenfalls.
» Wir kommen mit«, beeilte sich Lilian zu sagen.
Einen Moment lang herrschte hektische Aufbruchstimmung: Der Pfarrer entfernte behutsam die im Schlaf schnurrende Angel von seinen Knien, Amelia verstaute das Notizbuch wieder in ihrer Tasche, und Lilian ging in die Diele und nahm einen Armvoll Regenmäntel vom Garderobenständer.
» Es hat zu nieseln angefangen«, erklärte sie, während wir Willis senior in Richtung Haustür folgten.
» Macht nichts«, sagte Amelia. » Es bräuchte schon eine biblische Sintflut, um mich davon abzubringen herauszufinden, ob Mr Willis tatsächlich so clever ist, wie er wirkt.«
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Auch wenn es die Buntings offensichtlich nicht störte, dass ihre Haare auf dem Weg zur Kirche vom Nieselregen feucht wurden, so beschloss ich für meinen Teil, mir die Kapuze meines Parkas über den Kopf zu ziehen, während Willis senior Amelia unter den Schutz seines schwarzen Regenschirms nahm. Während der Pfarrer und seine Frau eilig voranschritten, ließ ich mich ein wenig zurückfallen und lauschte interessiert dem Gespräch, das mein Schwiegervater mit seiner neuen Bekanntschaft anknüpfte. Aber es überraschte mich nicht weiter, dass sie den Großteil der Konversation bestritt.
» Erlauben Sie mir bitte, Ihnen mein aufrichtiges Beileid zum Tod Ihres Bruders auszusprechen«, sagte er.
» Danke. Außer Alfie hatte ich keine Geschwister, und ich vermisse ihn sehr. Er war fünf Jahre älter als ich, aber er hat mich immer wie eine Gleichaltrige behandelt. Schon als kleines Kind machte er mich mit Dingen vertraut, die ich heute noch liebe– japanische Filme, thailändische Küche, chinesische Dichtung, Bhangra-Musik. Alfie verdanke ich sehr viel. Er hat mir die Augen für die Welt geöffnet.«
» Was ist Bhangra-Musik?«, fragte mein Schwiegervater.
» Indische– aus dem Pandschab, um genau zu sein– Tanzmusik, die sehr fröhlich ist.« Amelia blieb vor dem überdachten Friedhofstor stehen und sagte ehrfurchtsvoll: » Was für eine reizende Kirche.«
Amelia wurde mir immer sympathischer. Denn auch ich war seit meinem ersten Besuch des Gotteshauses seinem schlichten Charme verfallen.
St. George’s machte einen gedrungenen, robusten Eindruck, und sein einziger äußerer Schmuck bestand in dem Zickzackband, das in die Steinumrandungen oberhalb der Türen und Fenster gemeißelt war. Die Scheiben der Bleiglasfenster bestanden aus einfachem klaren Glas statt aus Buntglas, und die Fensteröffnungen waren relativ klein. Die Kirche rühmte sich zwar eines quadratischen Glockenturms, aber die Glocken waren seit den 1970er Jahren nicht mehr zu hören, als sie von einer automatischen Anlage abgelöst wurden, die zur vollen und halben Stunde mit einer ebenso unfehlbaren wie unmenschlichen Pünktlichkeit schlug.
St. George’s war nicht spektakulär und glamourös. Sie ragte nicht in himmlische Höhen und bestach auch nicht durch eine raffinierte Architektur. Es war eine schlichte Gemeindekirche, ein demütiger Freund, dessen Tür immer offen war. Und doch konnte sich kaum jemand ihrem Reiz entziehen, wenn er sah, wie sich ihre goldenen Mauern vom satten grünen Gras des Kirchhofs abhoben.
» Alfie liebte alte Kirchen«, fuhr Amelia fort, als wir durch das Tor und weiter auf dem Kiesweg zum Südportal schritten. » Als wir noch jung waren, radelten wir meilenweit, um ein interessantes Taufbecken oder eine Gedenktafel mit außergewöhnlichem Wortlaut zu bestaunen. Bestimmt hätte ihm St. George’s gefallen. Der Stil ist normannisch, nicht wahr? Die Rundbögen, die dicken Wände, das Zickzackband über den Türen… Das alles deutet auf die normannische Baukunst hin, stimmt’s?«
» Ganz genau«, antwortete Willis senior. » St. George’s wurde im zwölften Jahrhundert von Sir Guillaume des Flèches erbaut, einem normannischen Edelmann, dessen Burg nicht mehr existiert. Die Steine von der ehemaligen Burg Sir Guillaumes wurden in zahlreichen Gebäuden in und um Finch herum verwendet.«
» Wer glaubt, Recycling sei eine moderne Erfindung, sollte sich mehr mit Geschichte befassen«, sagte Amelia.
Willis senior lächelte und lehnte seinen zusammengeklappten Schirm neben dem südlichen Kirchenportal zum Abtropfen an die Wand, während Amelia und ich den Buntings durch die eisenbeschlagene Eichentür in die Kirche folgten.
Drinnen roch es
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