17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
Er ist ein sehr aufmerksamer Mensch.«
» Ja, in der Tat. Er hat mich auch eingeladen, sein Anwesen zu erkunden. Insbesondere will er mir eine seltene wilde Orchideenart zeigen, die er entdeckt hat.« Sie blieb stehen und blickte sich suchend um. » Du hast ihm doch nichts von Mae Bowen gesagt, oder?«
» Kein Wort«, sagte ich, erleichtert, dass ich mein Versprechen gegenüber Bill noch nicht eingelöst hatte.
» Ich habe mich nur gewundert…« Sie sah mich noch einen Moment prüfend an, ehe sie weiterging. » Er schien von meiner Naturbegeisterung zu wissen, und deshalb dachte ich, dass du vielleicht die Katze aus dem Sack gelassen hast.«
» Nein, bestimmt nicht. Ich habe weder etwas mit seinem Mitbringsel zu tun noch mit seiner Einladung. Beides war seine eigene Idee.« Mein Blick streifte Amelias matschbedeckte Regenstiefel, und ich legte mir meine nächsten Worte nicht ohne Hintergedanken zurecht. » Ein Wanderführer scheint auf den ersten Blick ein merkwürdiges Geschenk zu sein, aber William liebt lange Wanderungen in der Natur und nimmt wohl an, dass alle anderen das auch tun. Außerdem ist er verrückt nach Orchideen– sein Gewächshaus ist voll davon–, insofern wundert es mich nicht, dass er dir von der einen Art erzählt hat, die er im Wald von Fairworth gefunden hat.«
» Ein Gewächshaus voller Orchideen…«, murmelte Amelia. Einen Moment lang verfiel sie in ein verträumtes Schweigen, dann seufzte sie und sah mich zerknirscht an. » Verzeih, Lori, aber ich wurde schon so oft hintergangen, dass ich misstrauisch geworden bin. Aber an dir hätte ich nicht zweifeln sollen.«
» Warum nicht?«, sagte ich. » Du kennst mich ja noch nicht lange. Ein bisschen Vorsicht kann nicht schaden, Amelia. Aber vor William brauchst du dich nicht in Acht zu nehmen«, fügte ich hinzu, erneut von der Kupplerin in mir angespornt. » Er ist pensionierter Anwalt. Davor hat er eine große Kanzlei geleitet, die noch immer in Familienhand ist. Er ist von Berufs wegen ein exzellenter Bewahrer von Geheimnissen.«
» Trotzdem kann ich es mir nicht erlauben, Will– Mr Willis– ins Vertrauen zu ziehen. Je weniger Leute meine wahre Identität kennen, umso größer sind meine Chancen auf ein ruhiges Leben in Finch. Und ich sehne mich so sehr nach einem ruhigen Leben.«
Als wir auf dem Friedhof ankamen, pflanzte Bree Pym gerade zwei bronzefarbene Chrysanthemen auf das Grab ihrer Großgroßtanten. Sie trug wieder ihren Regenponcho mit dem Tarnmuster, aber ihr stachliges Haar war schutzlos den Elementen ausgesetzt.
» Tantchen«, sagte sie, während wir uns näherten, » hier kommt die Frau, von der ich euch erzählt habe, die Pussywillows gekauft hat. Amelia? Darf ich Ihnen Tante Ruth und Tante Louise vorstellen? Sie sind einen Tag, nachdem ich sie kennenlernte, gestorben, aber die beiden haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Sie würden sie bestimmt mögen.«
» Da bin ich mir sicher.« Amelia neigte den Kopf in Richtung des Grabsteins der Pym-Schwestern. » Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Tante Ruth und Tante Louise. Ihre Nichte ist ein richtiger Schatz.«
» Großgroßnichte«, korrigierte Bree sie. » Aber was macht das schon für einen Unterschied? Und danke für die freundlichen Worte.«
» Es ist die reine Wahrheit.« Amelia erwiderte Brees Lächeln, dann blickte sie sich um. » Ich frage mich, ob Mistress Meg hier begraben ist?«
» Ich kenne den Friedhof recht gut«, sagte ich, » und kann mich nicht erinnern, den Namen Margaret Redfearn auf einem der Grabsteine gesehen zu haben. Und wenn sie als Hexe gehängt wurde«, fuhr ich eingedenk Tante Dimitys düsterer Worte fort, » liegt sie bestimmt nicht hier begraben. Hexen durften nicht in heiliger Erde bestattet werden.«
» Wir wollen lieber annehmen, dass sie in hohem Alter verstarb«, warf Bree ein.
» Die Version gefällt mir auch besser«, erwiderte ich.
» Wenn Mistress Meg eines natürlichen Todes starb«, fuhr Bree fort, » liegt sie vielleicht doch hier. Auf sieben Grabsteinen ist die Inschrift inzwischen so verwittert, dass sie unlesbar ist. Es sind genau die Grabsteine, von denen Mrs Bunting und ich gesprochen haben, die mit dem Olivenzweig darauf. Aber machen Sie sich nicht zu viel Hoffnungen, ich habe mir sie bereits angeschaut, und es ist kaum mehr etwas zu erkennen.«
» Vielleicht könnten wir die Inschrift wieder zutage fördern«, sagte Amelia. Sie langte in ihre Tasche und holte mehrere große weiße Blätter und
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