170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
in Angriff zu nehmen, schlug die warme, wollene Decke zurück und stand auf. Der Raum war kalt. Sie wusch sich, zog sich an und verließ dann leise ihre Kammer, um nach Tiarnan zu sehen.
Eine Küchenmagd kam und wachte an Adams Bett, und da der Junge ruhig schlief, nutzte Marcus die Gelegenheit, um das Krankenlager zu verlassen und sich die Beine zu vertreten. Doch anstatt an die frische Luft zu gehen, schritt er unruhig am Treppenabsatz auf und ab und wartete.
Er brauchte sich nicht lange zu gedulden, denn die Person, die ihm nicht aus dem Kopf ging, erschien alsbald auf der schwach erleuchteten Galerie. Keelin O’Shea schloss behutsam die Tür zu ihrer Kammer und betrat leise den Raum ihres Onkels.
Marcus hatte nicht die Absicht, sie anzusprechen. Er wusste ohnehin nicht, was er ihr sagen sollte, obwohl er zuversichtlich war, dass ihm die passenden Worte schon einfallen würden. Schließlich hatte er sich vergangene Nacht mit ihr unterhalten, und auch in den Gesprächen, die sie in der Hütte zwischen all den Verwundeten geführt hatten, waren ihm die Worte merkwürdig leicht über die Lippen gekommen.
Auf der unteren Stufe der steinernen Treppe verharrte er, bis Keelin in der Kammer ihres Onkels verschwunden war. Jenes unbehagliche Gefühl, das sich stets einstellte, sobald er sich einer schönen Frau gegenübersah, blieb jedoch auch diesmal aus. Er verspürte keine Unsicherheit. Nicht in diesem Augenblick, und auch zu keinem anderen Zeitpunkt des Zusammenseins mit Keelin O’Shea. Nicht seit dem peinlichen Missgeschick am ersten Tag.
Marcus kehrte kurz in Adams Kammer zurück, um der Bediensteten mitzuteilen, dass er bei den Greifvögeln zu finden wäre, und verließ den Bergfried. An der frischen Luft würde er auf andere Gedanken kommen. Gerald, Wrextons Falkner, war gerade bei der Frühmahlzeit, und so konnte Marcus sich ungestört den edlen Tieren widmen.
Der stechende Geruch der Vogelkäfige stieg ihm in die Nase, als er den großen Raum des Falkners betrat. Marcus zündete einige Fackeln an und ging dann über den Kies bedeckten Boden zu seinen größten Jagdvögeln, zwei prächtigen Gerfalken.
„Guten Morgen, die Damen“, sagte er. „Hast du wieder an deinem Lederriemen geknabbert, Guinevere? Und du, Cleo. Bist du in meiner Abwesenheit träge geworden?“
Er streichelte über das Gefieder der Vögel und sprach mit ihnen, während er den Zustand ihrer Schwingen und Krallen begutachtete. Gerald war ein vorbildlicher Falkner, das stand außer Frage. Er war einer der besten in ganz England, und Marcus hatte eine sehr hohe Meinung von ihm.
Er beschaute sich die Wanderfalken, die Sperber und die Zwergfalken, sah nach den Hühnerhabichten und stand endlich vor der Sitzstange, auf der zwei wertvolle Nestlinge saßen. Die beiden Weibchen waren erst kürzlich gefangen und nach Wrexton gebracht worden. „Ein feines Paar Zwergfalken seid ihr“, murmelte er und beugte sich zu den Tieren hinab. Marcus hatte keinen Zweifel, dass sich rasch ein Käufer finden ließe, sobald die Vögel abgerichtet waren.
Das Abrichten würde er allerdings Gerald überlassen. Er selbst musste sich großen Anforderungen stellen, denn als Graf hatte er neue Verpflichtungen, und zudem galt es, dafür zu sorgen, dass seine Ritter sich in zusätzlichen Kampfübungen ertüchtigten. Seine Männer mussten gut vorbereitet sein, wenn die keltischen Söldner auftauchten.
Marcus fiel es schwer abzuschätzen, wie lange Mageeans Schergen brauchten, um herauszufinden, wo Keelin sich gegenwärtig aufhielt. Vielleicht hielt das schlechte Wetter die Krieger noch zurück, aber er hatte sich bereits mehrere Vorsichtsmaßnahmen überlegt, falls die Kelten eher als erwartet die Mauern von Wrexton erreichten.
Adams Fieber war schlimmer geworden. Sein ganzer Körper war mit Schweiß bedeckt, und der Junge stöhnte und stammelte unzusammenhängende Worte.
Glücklicherweise schien Tiarnan sich von der anstrengenden Reise erholt zu haben, denn er genoss die neue behagliche Unterkunft und nahm nach den langen Jahren auf der Flucht die Gelegenheit wahr, sich mit anderen Burgbewohnern zu unterhalten. Daher hatte Keelin mehr Zeit, sich um Adam zu kümmern.
Sie schickte nach Lady Isolda, da sie ihre Hilfe benötigte, aber es hieß, dass diese im Augenblick nicht zu sprechen sei. Marcus befand sich mit seinen Männern auf dem Übungsplatz, und Keelin kannte niemanden sonst in der Burg, dessen Hilfe man in Anspruch nehmen konnte.
Sie sah die
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