170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
erreicht hatten, ließ Marcus ihren Arm los. Gemeinsam betraten sie Adams Kammer. „Ah, Mylady“, sagte Kate und erhob sich von dem kleinen Herdfeuer. „Er hat sich nicht gerührt, aber er fühlt sich noch sehr heiß an.“
Keelin strich über Adams Stirn und sah sehr besorgt aus. Sofort füllte sie etwas Wasser in die kleine Schüssel und reichte sie Marcus. „Würde es Euch etwas ausmachen, den Jungen weiter zu kühlen?“, fragte sie und holte mehrere Lederbeutel aus der Tasche, die sie über den Stuhl beim Feuer gehängt hatte. Nach kurzem Suchen öffnete sie einen der Beutel, streute ein graues Pulver in ihre Handfläche und füllte es dann in einen irdenen Krug. Sie goss Wasser hinzu, schwenkte das Trinkgefäß hin und her und ging zurück zu Adams Bett.
Dann beugte sie sich zu dem Jungen hinab. „Kannst du mich hören?“
Ein schwaches Aufstöhnen war alles, was sie vernahm.
„Nimm einen Schluck hiervon“, sagte sie und führte einen Löffel mit dem Heiltrank an seinen Mund. Adam schluckte bereitwillig, und Keelin war erleichtert, dass es ihr gelungen war, dem Kranken die Kräutermischung zu verabreichen. Mit etwas Glück würde das Fieber sinken.
Eine Stunde später wütete es jedoch immer noch in Adams Körper. Wenn sich sein Zustand nicht rasch verbesserte, stand sein Leben auf dem Spiel.
„Ich brauche den Rat meines Onkels“, sagte Keelin schließlich.
Marcus hörte die stille Verzweiflung in ihrer Stimme und zwang sich, Ruhe zu bewahren.
„Soll ich den Burgkaplan holen, Mylord?“, fragte Kate.
Die Küchengehilfin spielte mit dieser Frage auf die letzte Ölung für den armen Jungen an, da sein Zustand tatsächlich lebensbedrohlich war, doch Marcus reagierte ungehalten und fuhr das Mädchen an: „Nein! Geh und sorge dafür, dass Lord Tiarnan hierhergebracht wird! Sofort!“
„Ja, Mylord“, erwiderte Kate leise, eingeschüchtert von dem ungewohnten Zornesausbruch ihres Herrn, und lief hastig zur Tür.
„Es kann gewiss nicht schaden, Pater Pygott kommen zu lassen“, sagte Keelin mit sanfter Stimme und legte behutsam eine Hand auf den Arm des Grafen.
Sie sprach zwar mit fester Stimme, doch Tränen schimmerten in ihren Augen. Marcus wusste, dass er ein Narr wäre, wenn er Keelins Bitte missachtete.
Kate stand an der Tür und wartete gespannt, wie ihr Herr sich nun entscheiden würde. Schließlich gab er mit einem kurzen Nicken sein Einverständnis, und das Mädchen eilte aus der Kammer. Nun stand er reglos da und war wie erschlagen von der Tragweite der Entscheidung, die er soeben getroffen hatte. Bereits Stunden nach dem Überfall hatte er die Vorstellung verdrängt, dass Adam seiner schweren Verletzung erliegen könnte. Jetzt aber blieb ihm keine andere Wahl, als dieser fürchterlichen Möglichkeit ins Auge zu sehen.
Ohne nachzudenken zog er Keelin zu sich heran und schloss sie in die Arme. Er spürte, dass sie genau wie er Trost brauchte, und als er sie fest umschlungen hielt, fühlte er, wie ihrem bebenden Körper ein heftiger Schluchzer entfuhr.
Der Tag war lang und kräftezehrend gewesen. Adam lag bewusstlos im Bett, und das Fieber war endlich gesunken, nachdem die Wunde ausgebrannt worden war. Tiarnan hatte zu solch einer drastischen Maßnahme geraten. Keelin und Marcus waren den Anweisungen des alten Mannes gefolgt und hatten die schwierige Wundbehandlung gemeinsam durchgeführt. Nie zuvor hatte Keelin bei einem Kranken den Widerstreit zwischen Leben und Tod so hautnah miterlebt.
Und nie zuvor hatte sie den Drang verspürt, zu fliehen. Eine böse Vorahnung stieg in ihr auf, die bedrohlich zunahm, als die Stunden in quälender Ungewissheit verstrichen. Sie versuchte mit allen Mitteln, das unheilvolle Gefühl zu deuten, doch es gelang ihr nicht. Sie vermochte nicht genau zu sehen, was für ein Unglück bevorstand, obwohl sie spürte, dass nicht unbedingt Adam davon betroffen war.
Sie zog in Betracht, das Gebäude aufzusuchen, in dem ihr Karren stand, um Ga Buidhe an Lamhaigh aus dem Versteck zu holen. Eine einzige Berührung würde genügen, und die Visionen kämen über sie. Keelin wusste indes auch, dass die Visionen sie schwächen würden, und sie brauchte doch ihre ganze Kraft, um Adam weiterhin zu versorgen.
Es blieb ihr vermutlich nichts anderes übrig als abzuwarten. Schließlich waren sie und Tiarnan in Wrexton Castle sicher. Es gab keinen Mageean-Krieger, der in der Lage wäre, ungesehen in die Burg einzudringen. Und selbst wenn eine ganze Schar von keltischen
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