170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Vorhaben seiner Nichte wusste, ihren Onkel in Wrexton zu lassen und nach Irland aufzubrechen.
Bei dem Gedanken an Keelins bevorstehende Abreise überfiel Marcus mit einem Mal große Traurigkeit, und er verspürte einen ähnlichen Schmerz in seiner Brust wie in jenem Augenblick, als sein Vater die Augen für immer geschlossen hatte. Die Gefühle, die er für die junge Irin hegte, vermochte er nicht genau einzuordnen, doch er wusste, dass er in seinem ganzen Leben noch nie so viel für eine Frau empfunden hatte.
Und falls er zuließ, dass sie die Reise antrat, würde er sie vielleicht nie wiedersehen.
„Sagt mir, Mylord“, hob Tiarnan an. „Wie schlimm ist Keelins Verletzung? Nie würde sie zugeben, dass ihr etwas wehtut. So ist es auch heute gewesen, obgleich ich ihrer Heiserkeit entnehmen kann, dass sie längere Zeit Qualm und Rauch ausgesetzt war.“
„Das ist wahr“, erwiderte Marcus. Ihre raue Stimme hatte ihn bis ins Mark erschüttert. „Es ist möglich, dass sie noch einige Tage heftig husten wird.“
Tiarnan nickte. „Und die Wunde am Kopf?“
„Sie war tief, aber sie hat aufgehört zu bluten, und da sie nicht viel Aufhebens machen wollte“, fuhr er fort, „habe ich die Stelle nicht genäht.“
Marcus war froh, dass die Wunde nicht genäht werden musste. Eine Nadel mit großer Sorgfalt zu führen, war nicht gerade seine Stärke, und hinzu kam, dass er Keelin keine zusätzlichen Schmerzen bereiten wollte.
„Nun, sie ist ein standhaftes Mädchen“, sagte Tiarnan. „Sie wird sich wieder erholen.“
Der Graf teilte die Ansicht des alten Mannes, aber er wünschte immer noch, dass sie die Stallungen nie betreten hätte. Es wollte ihm nach wie vor nicht einleuchten, wie sie gerade von diesem einen Balken erfasst werden konnte, der in ihrer Nähe herabgefallen war. Plötzlich regte sich ein böser Verdacht in ihm, den er jedoch rasch wieder verwarf. Nein, Isolda würde sich unter keinen Umständen in die Nähe der Stallungen wagen.
„Wie geht es Adam?“
„In dieser Nacht besser“, erwiderte Tiarnan. „Das Fieber ist gesunken, und die Wunde schwärt nicht mehr so schlimm. Ich trug der jungen Katie auf, einen beruhigenden Heiltrank anzurühren, den der Junge brav geschluckt hat. Er wird noch eine Weile schlafen.“
„Er sieht wieder frischer aus“, bemerkte Marcus.
„Ruht Euch nun selbst ein wenig aus, mein Junge“, meinte Tiarnan. „Katie und ich kümmern uns heute Nacht um Euren Vetter. Und wenn wir Eure Hilfe brauchen, rufen wir Euch.“
Die Aussicht auf ein Bad und einige Stunden Schlaf war zu verlockend, doch Marcus glaubte nicht, dass der alte Mann sich so weit erholt hatte, um die ganze Nacht aufbleiben zu können.
Auch Katie, die in einem Stuhl neben dem Herdfeuer schlummerte, hatte bereits lange genug gearbeitet. Denn sie war schon den Tag über Tiarnans Aufträgen nachgekommen und brauchte auch dringend ihren Schlaf.
„Kate“, sagte er, als er sie weckte. „Geh zu Bett.“
„Aber …“
„Einer der Bediensteten wird dich in dieser Nacht ablösen.“
„Ja, Mylord“, murmelte sie schläfrig. Sie erhob sich und verließ benommen die Kammer.
„Tiarnan, ich lasse jemanden kommen, der Euch zu Bett bringt, denn auch Ihr braucht Ruhe“, sagte Marcus. „Adam schläft tief und fest. Wenn er uns braucht, wird man uns sofort rufen.“
Tiarnan protestierte nicht weiter. Marcus wünschte ihm eine gute Nacht und verließ dann Adams Kammer.
Er war noch nicht weit gekommen, als Isolda ihn an der Treppe abfing.
„Marcus“, sagte sie, „ich suche Euch schon die ganze Zeit.“
„Um was geht es?“, fragte er müde.
„Wie Ihr wisst, möchte Bischof Delford morgen die Burg verlassen“, erwiderte sie. „Ich konnte ihn indes überreden, einen Tag länger in Wrexton zu verweilen, und ich beabsichtige, ein Festmahl für ihn vorzubereiten. Es stünde Euch als Burgherr gut an, am Kopf der Tafel zu sitzen.“
„Ob ich an dem Mahl teilnehme, hängt von Adams Gesundheitszustand ab“, entgegnete er, „und ob man mich hier braucht.“
„Marcus“, seufzte Isolda voller Ungeduld. „Der Bischof ist ein bedeutender Mann. Ihr habt nur kurz nach der Beerdigung mit ihm gesprochen, und auch heute Abend hattet Ihr viel zu wenig Zeit für ein längeres Gespräch übrig. Ihr könnt Seine Eminenz nicht in dieser Weise vor den Kopf stoßen. Der Bischof hat beträchtlichen Einfluss bei Hofe und …“
„Und wenn er ein solcher Narr ist, der die Bedeutung meiner Verpflichtungen nicht
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