170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
richtig einzuschätzen. Er wusste, dass sie sich nach seiner Berührung genauso sehnte wie er sich nach der ihren.
Und wenn sie nicht den Drang verspürte, rasch nach Irland zurückzukehren, hätte er genügend Zeit, ihr angemessen den Hof zu machen. Er würde ihr Geschenke machen, die ihrem Stand entsprachen, und Festmahle für sie abhalten, bei denen Sänger ihre Schönheit priesen. So könnte er ihr Herz erobern, und sie bliebe vielleicht für immer in Wrexton.
Aber er wusste auch, was Pflicht bedeutete. Und Keelins Verpflichtung gegenüber ihrem Clan war allzu verständlich.
Isolda stand etwas abseits, und Marcus spürte, dass sie ihn mit Absicht mied, aber er schenkte ihrem unterkühlten Verhalten nur wenig Beachtung. Ihm fiel indes auf, dass sie gegenwärtig keine Geduld mit den Bediensteten zeigte, und so geschah es, dass eine junge Magd in Tränen aufgelöst aus dem Saal eilte.
Marcus fühlte sich in seiner Absicht bestärkt, Lady Coule ein neues Zuhause zu verschaffen, denn er durfte nicht länger zulassen, dass die Bediensteten weiterhin beschimpft wurden. Isoldas Zorn auf ihn und ihre unbefriedigende Stellung gaben ihr nicht die Freiheit, die Untergebenen schlecht zu behandeln.
Er erbat von Bischof Delford die Erlaubnis, sich zu entfernen und ging auf Isolda zu, doch in diesem Augenblick erschien Keelin oben auf der Treppe. Marcus blieb stehen.
Sie war atemberaubend in ihrer Schlichtheit.
Einen Moment zögerte sie weiterzugehen, aber der Graf lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich, und sie stieg anmutig die Stufen hinab. In ihrem tiefblauen Samtgewand, das ihren schlanken Körper unterstrich, war sie eleganter als jede andere Edelfrau im Festsaal. Das Haar hatte sie mit einem unscheinbaren, weißgrünen Band zurückgebunden. Sie trug keine Kopfbedeckung.
Der Kragen ihres Gewandes war mit goldenen Stickmustern verziert, die ihren anmutigen Hals und das züchtige Dekolletee hervorhoben. Dieselben Verzierungen waren auf ihrem golddurchwirkten Gürtel zu sehen, der sich bei jedem ihrer Schritte verführerisch über ihre Hüften schob.
Keelin wirkte blass im Schein der Kerzen, obgleich eine liebliche Röte ihren Wangen ein wenig Farbe verlieh. Grünes Feuer schien in ihren Augen zu funkeln, und sie nahm alles in sich auf, was in der Großen Halle vor sich ging. Ihre vollen Lippen waren rot und einladend, und Marcus dachte nur an ihren weichen Mund und die sinnliche Glut ihres Kusses.
Er hatte seinen Blick fest auf Keelin gerichtet und versuchte, sie allein durch die Macht seines Willens zu sich zu führen.
Es war seine Absicht, sie mit wenigen Worten über das gebotene Begrüßungszeremoniell aufzuklären, bevor er sie dem Bischof vorstellte, doch Isolda kam ihm zuvor, ergriff Keelins Arm und stellte sie dem geistlichen Würdenträger vor, als sei die junge Irin ein ganz besonderer Gast. Dann trat sie einen Schritt zurück und wartete mit einem seltsamen Funkeln in ihren Augen, ob Keelin sich angemessen benehmen würde.
Marcus bemerkte, dass Lady Coule sich versteifte, als die junge Irin niederkniete, um den Ring des Bischofs zu küssen und Delfords Segen zu erhalten. Er vermochte indes nicht zu ergründen, inwieweit Isoldas höfliches Auftreten einen unterschwelligen Groll barg, aber er war erleichtert, als er sah, dass Keelin die gebotenen Anstandsformen beachtete, ohne auf das richtige Verhalten hingewiesen werden zu müssen. Er hatte nichts anderes von ihr erwartet.
Isolda fand schnell die Fassung wieder und begann Keelin ins Wort zu fallen, obwohl ihr Gast gerade vor dem Bischof zum Ausdruck brachte, wie sehr ihr die Totenmesse für Eldred de Grant gefallen habe. „Es war ein erhebendes Gefühl, Eure Eminenz“, fuhr die Irin unbeirrt fort, ohne auf Isolda zu hören, „und eine Ehre für mich, gemeinsam mit all jenen an der Messe teilnehmen zu dürfen, die um Lord Eldred trauern.“
Marcus sah, dass Keelins Kompliment dem Bischof gefiel. Isolda hingegen bereitete es sichtlich Verdruss, als der geistliche Würdenträger nun ein Gespräch mit Keelin begann und sich sogar weiter mit ihr unterhielt, während sie zu der Ehrentafel auf der Empore gingen. Marcus folgte dem Geistlichen, und auch die Gäste begaben sich nun zu den ihnen angewiesenen Plätzen. Gemeinsam wartete man, dass der Bischof die Mahlzeit segnete, doch Marcus wunderte sich weiterhin über Isoldas merkwürdiges Verhalten.
Die Musik verstummte, als Delford sich erhob und dem Festmahl seinen Segen schenkte. Als die Worte des
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