170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
sie sich setzte, wirkte Marcus angespannt, doch er sagte nichts. Keelin nahm neben Bischof Delford Platz, als die Speisen aufgetragen wurden. Die Musik, die nach dem Gebet wieder eingesetzt hatte, verstummte, als der Graf seinen Kelch erhob, um Bischof Delford willkommen zu heißen. Er sprach ein paar höfliche Worte, und dann erhoben alle Gäste zu Ehren des Geistlichen die Trinkgefäße.
Keelin stand wie alle anderen auf, wandte sich dem Bischof zu und erhob ihren Kelch. Unglücklicherweise glitt ihr das Gefäß aus der Hand und verfehlte nur knapp die Robe des Würdenträgers und ihr eigenes Gewand. Als der Kelch auf die Tafel fiel, spritzte der Wein in alle Richtungen und färbte das leinene Tischtuch tiefrot.
Was für ein Missgeschick, dachte Keelin und versuchte, Haltung zu wahren. Lächelnd murmelte sie eine Entschuldigung, aber sie ärgerte sich maßlos über ihre Unbeholfenheit. Eilfertige Bedienstete waren sofort zur Stelle, um das Leinen notdürftig zu säubern. Als Keelin sich den Wein von den Händen wischte, wurde sie den Eindruck nicht los, dass sich ihre Handflächen nicht nur feucht, sondern auch ölig anfühlten.
„Das macht doch nichts, mein Kind“, erwiderte Delford auf ihre Entschuldigung. „Es ist ja nichts passiert.“
Doch Keelin spürte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Jeder im Rittersaal hatte das Missgeschick gesehen, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich wieder zu setzen und so zu tun, als wäre nichts geschehen.
„Lady Keelin und ihr Onkel haben sich bereit erklärt, so lange in Wrexton zu bleiben, bis es Adam wieder besser geht“, sagte der Graf, um die peinliche Stille zu überspielen. „Wir haben keinen Heilkundigen in der Burg, und die Heilkünste unserer irischen Gäste haben meinem jungen Vetter das Leben gerettet.“ Er blickte Keelin freundlich an, und seine Augen spendeten ihr den Trost und Beistand, den sie so dringend brauchte, um das Missgeschick schnellstmöglich zu vergessen.
„Ah, ja“, sagte Delford, „der Junge war schwer verwundet. Es ist ein Segen, dass er überlebt hat.“
„Es war Gottes Wille“, sagte Isolda.
„Wohl wahr, meine liebe Lady Coule“, erwiderte Delford.
Keelin war indes immer noch sehr aufgewühlt. Sie trocknete die Hände an dem feinen Stofftuch, das man ihr eilig gebracht hatte, und nahm von dem Fleisch, das ihr auf einer Platte gereicht wurde. Ihre Bewegungen waren steif, denn sie fühlte sich gehemmt und ständig beobachtet. Wie hätte sie gelassener sein können, wenn sie jeden Augenblick damit rechnen musste, dass Isolda erneut ihr Gift verspritzte.
Keelin wartete schon darauf, was als Nächstes geschehen würde.
Nach dem Mahl war es die Pflicht des Grafen, dem Bischof ein trefflicher Gastgeber zu sein, aber es missfiel ihm sehr, nicht an Keelins Seite sein zu können. Isolda war ständig in seiner Nähe und wusste genau, dass er sie in Gegenwart des Bischofs nicht fortschicken konnte. Angeregt unterhielt sie sich mit dem Geistlichen, und ihre Augen sprühten vor Lebenslust und Fröhlichkeit, doch in ihrem Blick lag noch etwas Unergründliches verborgen.
Marcus war sich nicht sicher, was Isolda im Schilde führte. Er wusste indes, dass sie noch nie etwas ohne Berechnung getan hatte.
Das Fest war noch lange nicht vorüber, als Keelin Bischof Delford aufsuchte, ihm Lebewohl sagte und eine sichere Heimreise für den kommenden Morgen wünschte. Dann wandte sie sich Marcus zu und wünschte ihm eine gute Nacht. Sie verhielt sich förmlich und sehr zurückhaltend. Der anmutige Charme und ihr ungezwungenes Auftreten waren verflogen.
Marcus verstand nicht, wie es zu dem Umschwung in Keelins Verhalten hatte kommen können. Er wollte nicht glauben, dass der unglückliche Vorfall mit dem Weinkelch sie so aus der Fassung gebracht hatte, aber er fragte sich, was sonst noch geschehen sein mochte, das ihm bislang entgangen war.
Der Abend zog sich endlos in die Länge, nachdem Keelin sich zurückgezogen hatte. Marcus hatte keinen Gefallen an den Speisen gefunden, und die Stimmung unter den Gästen war nicht sonderlich erheiternd. Der Tod des alten Grafen warf einen düsteren Schatten über den Abend; die Gäste blieben eher wortkarg und hielten das Andenken ihres gefallenen Herrn in Ehren.
Die Besucher aus dem Dorf verließen frühzeitig den Saal, und die Burgbewohner zogen sich für die Nacht zurück, sobald der Anstand es erlaubte. Bedienstete begannen, die Tabletts in die Küche zu tragen, deckten die Tische ab
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