1709 - Die Blutprinzessin
blitzschnell. Ohne Vorwarnung löste die Cavallo den Griff.
Diesmal schrie Johnny auf, als er nach vorn kippte und bäuchlings auf der feuchten Erde liegen blieb.
Er lag zwar auf dem Bauch, aber er war nicht ausgeschaltet. Johnny wollte sehen, was seine Entführerin weiterhin vorhatte. Zunächst mal kam ihm der Ort bekannt vor, an dem er lag. Er brauchte nur den Kopf leicht anzuheben, um die Blockhütte zu sehen, die schon mal zu seinem Gefängnis geworden war.
Die Cavallo hatte die Tür aufgestoßen, drehte sich wieder um, kehrte zu Johnny zurück und zerrte ihn auf die Beine.
Er erhielt einen Stoß in den Rücken, der ihn in die Hütte stolpern ließ.
Justine schloss die Tür.
Sie zündete die Dochte von vier Kerzen an, damit die Dunkelheit vertrieben wurde.
Johnny lehnte an der Wand und spürte den Widerstand der rohen Stämme in seinem Rücken. Er hatte sich wieder einigermaßen erholt. Er blieb auch an seinem Platz stehen und wollte keine Schwäche zeigen. Innerlich sah es anders in ihm aus. Da bebte er vor Furcht, und er hielt die Hände zu Fäusten geballt, um das Zittern seiner Finger nicht zeigen zu müssen.
Die Kerzen standen an vier verschiedenen Stellen in der Hütte. Ihre Flammen zitterten kaum. Nur als sich die Cavallo auf die Mitte zu bewegte, gerieten sie in leichte Schwankungen und ließen einige Schattenspiele entstehen, die über den Boden und die Wände huschten.
Justine Cavallo hielt vor Johnny an und stemmte die Hände in die Hüften. Mit dieser Haltung bewies sie, wer hier das Sagen hatte.
»Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, Johnny. Diese Nacht wird für dich die entscheidende sein. Du wirst es erleben, wie es ist, in ein anderes Leben zu gleiten.«
Er nickte, obwohl ihm etwas ganz anderes durch den Kopf ging. Das presste er hervor. »Warum? Warum nur?« Johnny schüttelte den Kopf. »Ich habe dir nichts getan, gar nichts, verstehst du?«
»Das stimmt, du nicht. Aber es gibt Veränderungen. Man will mich nicht mehr auf eurer Seite. Oder man hat mich nicht mehr zu wollen, egal, wie man es sieht. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen, und deshalb habe ich mich entschieden, all das zu vergessen, was einmal zwischen uns gewesen ist. Mit dir fange ich an. Danach hole ich mir deine Eltern und auch John Sinclair und sein Freund Suko werden nicht verschont.«
Johnny glaubte ihr jedes Wort. Vergessen war die Zeit, als sie als sein Lebensretter aufgetreten war. Jetzt kannte sie nur noch ein Ziel. Sie wollte sich mit weiteren Blutsaugern umgeben, und zwar mit denen, die sie gut kannte.
Johnny bewegte seine Augen. Auch wenn es kaum möglich war, er suchte nach einem Ausweg. Der Weg zur Tür war ihm versperrt, und so konnte er nur auf Hilfe von außen hoffen, obwohl das unwahrscheinlich war, denn sein Vater war ausgeschaltet worden, und von John Sinclair hatte er auch nichts gesehen.
Das glatte Gesicht der Vampirin veränderte sich. Zuerst sah es aus, als wollte sie lächeln. Dann wurde daraus ein Grinsen, und schließlich fletschte sie die Zähne, um zu zeigen, wer sie war.
Gekleidet war sie wie immer. Der dünne Lederüberzug, der hauteng saß und einen viereckigen Ausschnitt aufwies, aus dem die Brüste zur Hälfte hervorquollen. Mit diesem Outfit hatte sie oft die Aufmerksamkeit der Männer auf sich gezogen, die sich an ihr kaum sattsehen konnten und keine Ahnung hatten, was diese Unperson wirklich vorhatte. Erst wenn sie ihre Zähne in den Hals hackte, wurde ihnen klar, mit wem sie sich da eingelassen hatten.
Sie kam auf Johnny zu und blieb dicht vor ihm stehen, sodass sie ihn berühren konnte, ohne dabei den Arm ausstrecken zu müssen. Sie legte zwei Fingerspitzen unter Johnnys Kinn, der die Berührung als neutral empfand, denn die Kuppen strahlten weder Wärme noch Kälte aus.
Sie hob Johnnys Kinn an. Beide schauten sich in die Augen. Die Zähne der Blutsaugerin verschwanden, weil sie nicht mehr grinste. Es blieb jedoch bei einem Lächeln.
»Ich kann dir versprechen, dass es nicht wehtut. Du wirst zuerst nur einen kurzen Schmerz spüren, der schnell verschwindet und von einem wunderbaren Gefühl der Leichtigkeit abgelöst wird.« Sie lachte. »Nur fliegen ist schöner, sagt man doch. Und ähnlich wird es auch dir ergehen.«
Johnny Conolly war nicht auf den Mund gefallen. In diesen Fall aber hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er hätte auch nicht gewusst, was er hätte sagen sollen. Zu betteln, das kam bei ihm nicht infrage. Es hätte zudem keinen Sinn gehabt. Die Cavallo
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