1709 - Die Blutprinzessin
Ich will auch deinen Namen wissen.«
»Ich heiße noch immer so wie früher. Nadine Berger …«
Die Blutsaugerin dachte nach, ob sie diesen Namen schon mal gehört hatte. Tief in ihrem Kopf klingelte etwas, aber sie wusste nicht, wohin sie die Frau mit den roten Haaren stecken sollte. Dass sie etwas Besonderes sein musste, stand für sie fest, und es bereitete ihr Sorge, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie diese Person in die Hütte gelangt war.
Aber an Aufgabe dachte sie nicht. Sie nickte und sagte: »Ich weiß, dass deine Adern mit frischem Blut gefüllt sind, und genau das werde ich mir jetzt holen. Johnny hat nur eine kurze Galgenfrist bekommen. Zuerst bis du an der Reihe, dann er.«
»Bist du dir sicher?«
»Sehr sogar.«
»Und du glaubst nicht, dass jemand stärker sein könnte als du?«
Justine lachte nur. Sie war dabei voll auf Nadine konzentriert.
Das war Johnny nicht. Er wusste plötzlich, dass ihm das Schicksal eine winzige Chance bot, und er richtete sein Augenmerk auf die Tür. Sie war der Weg in die vorläufige Freiheit.
Noch zögerte Johnny, denn ihm war etwas aufgefallen.
Bewegte sich die Tür?
So genau konnte er es nicht sagen, und er riskierte einen zweiten Blick. Da sah er es. Die Tür bewegte sich tatsächlich. Und das nicht durch den Wind, denn hinter ihr stand jemand, der sie so behutsam aufzog wie eben möglich.
Es gab kein helles Licht, nur den Schein der vier Kerzen. Aber Johnny sah trotzdem, wer da versuchte, die Hütte zu betreten. Er kam ihm wie eine Lichtgestalt des Himmels vor, eben John Sinclair!
Das war der Moment, in dem Johnny über seinen eigenen Schatten sprang und auf die Tür zulief …
***
Ich bemühte mich darum, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Aber das Schaben der Tür war schon zu hören, das vom Boden her an meine Ohren klang.
Noch nahm niemand davon Notiz. Das war mein Vorteil, und auch mein Sichtfeld erweiterte sich, sodass ich zwangsläufig Johnny Conolly sah, der mir gegenüberstand.
Ihm war anscheinend noch nichts passiert, aber er war nicht die einzige Person, die mich überraschte, denn als ich nach rechts blickte, da sah ich Justine Cavallo, die sich von Johnny entfernte und auf ein anderes Ziel zuging. Das musste die Person sein, deren Stimme ich gehört hatte, die ich im Moment aber nicht sah.
Dafür hatte Johnny mich gesehen.
Er musste seine Überraschung erst verdauen. Im Moment hatte sie ihn erstarren lassen.
Ich wollte ihm winken und dabei die Tür weiter öffnen. Es war nicht nötig, denn Johnny überwand genau in diesem Moment seine Starre und nahm seine Chance wahr.
Er startete aus dem Stand heraus, und da gab es kein Hindernis, das ihn hätte aufhalten können. Um es ihm leichter zu machen, riss ich die Tür auf. Es war mir jetzt auch egal, ob man mich hörte, nur Johnny zählte, und der stoppte nicht. Er hetzte an mir vorbei, starrte nur nach vorn, atmete fast würgend – und war froh, dass jemand in der Nähe stand, der auf ihn gewartet hatte und ihn abfing.
Es war Suko, in dessen Arme er lief und erst dann einen Schrei ausstieß. Suko hielt ihn fest, sprach dabei auf ihn ein und legte einen Arm um seine Schultern.
Mich brauchten die beiden nicht. Aber ich wollte sehen, was sich in der Hütte tat.
Ich schob mich weiter hinein.
Es waren zwei Frauen, die sich dort aufhielten. Und eine davon war Nadine Berger …
***
Eigentlich hatte ich eingreifen und mich auf die blonde Bestie stürzen wollen. Davon nahm ich jetzt Abstand, denn ich wollte wissen, wie die Auseinandersetzung zwischen ihnen endete.
Ich blieb also im Hintergrund und hörte ihnen zu.
»Du nimmst mir Johnny nicht weg!«, flüsterte die Cavallo. »Was immer du vorhast, ich bin stärker.«
»Wirklich?«
»Ja!«
»Willst du an mein Blut?«
»Was sonst?«
»Dann versuche es.«
Normalerweise hätte sich die Cavallo schon längst auf ihr Opfer gestürzt. Dass sie es noch nicht getan hatte, ließ darauf schließen, dass sie mit dem Erscheinen der schönen Nadine überfordert war.
»Das wird ein Spaß!«, flüsterte die Cavallo.
»Ach ja?«, fragte ich, denn ich hatte mich nicht mehr zurückhalten können.
Justine fuhr herum.
Sie sah mich. Sie sah auch, dass Johnny verschwunden war, und stieß einen irren Wutschrei aus. Dabei riss sie ihren Mund weit auf, sodass er sich in ein Maul mit zwei langen spitzen Zähnen verwandelte. Selbst das Kreuz vor meiner Brust störte sie nicht mehr. Sie wollte mich angreifen, aber da waren plötzlich zwei Arme.
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