171 - Teutelstango
wußten alle, daß das Attentat auf Tarö Munante keinen Einzelfall darstellte. Vor allem, da ein Vampir der Mörder war.
Jemand wollte die Munantes von ihrem Herrscherthron stürzen und selbst die Macht an sich reißen…
„In dieser Nacht ist wirklich alles anders", sagte die schwarzhaarige junge Frau. „Sehen wir uns das an, Rian?"
Dorian Hunter lächelte. Seine Begleiterin lehnte sich an ihn, und seine Hand fuhr liebevoll durch ihr schulterlanges Haar. Sie standen vor einem einladenden Plakat, das auf eine große Show hinwies.
„Die Tango-Sensation aus Europa - Spaniens berühmteste Tanzgruppe zeigt für Sie ihr Können!"
Darunter in geschwungenen Buchstaben der Name des Lokals, und dann der Name des Truppenchefs:
Don Felipe Aracan.
„All right, schauen wir uns an, was Don Felipe und seine Leute zustande bringen", sagte Dorian und führte Coco Zamis in den Eingangsbereich. Es war eine Mischung aus Theater und Restaurant, weitaus größer als eine Nachtbar, weitaus kleiner als ein wirkliches Theater. Die Eintrittskarten in der Hand, traten sie in einen großen, geschmackvoll eingerichteten Saal, an dessen Ende sich eine schwach erhöhte Bühne befand. Unten standen runde Tische, durch Blumenbänke in kleine Sitzgruppen unterteilt. Die meisten Tische waren bereits besetzt. Dorian sah nach oben. Eine Galerie schwang sich hufeisenförmig um den Saal, zur Bühne hin geöffnet. „Sehen wir uns dort oben um", empfahl Dorian. „Von da aus dürften wir einen besseren Ausblick auf die Bühne haben."
„Du möchtest nur den Damen in die Dekolletes schauen", neckte Coco.
Dorian grinste. Er führte Coco zu einer breiten, teppichbelegten Treppe. Offenbar kostete der Zutritt zur Galerie nichts extra, und als sie oben waren, begriffen sie, weshalb sich kaum jemand für die Plätze auf der Galerie interessierte. Der Ausblick war zwar tatsächlich besser, aber hier oben herrschte geradezu brütende Hitze. Dorian kümmerte sich nicht um Konventionen und öffnete das Hemd bis zum Nabel. Coco war in dieser Beziehung eher gehandikapt. Nacktheit gehörte zwar nicht für sie zum Tabu, wohl aber für die Brasilianer, und einige hatten sich doch hier oben eingefunden, von der Bedienung einmal ganz abgesehen. Dorian bestellte Bourbon, Coco gab sich mit Wein zufrieden.
Dorian streckte die Beine lang aus. Er genoß es, endlich wieder einmal sitzen zu können. Seit Stunden zogen sie durch das Vergnügungsviertel der Riesenstadt Rio, aber an den meisten Dingen, die ihnen geboten wurden, waren sie nicht interessiert. Diese Show, die hier angekündigt wurde, war mal etwas anderes. Das hatte Coco auch eigentlich mit ihrer Bemerkung gemeint, daß in dieser Nacht alles anders sei.
Tango in Rio!
Dieser Tanz war für Brasilien höchst ungewöhnlich. In Brasilien ist der Samba der Nationaltanz, der fast schon zur Religion erhoben wird. Es gibt Hunderte von Sambaschulen allein in Rio, vom Rest des Landes ganz zu schweigen, und einmal jährlich gerät die ganze Stadt in Samba-Ekstase, wenn der alljährliche Karneval gefeiert wird und die riesigen Festwagen durch die Straßen ziehen, die Mädchen sich fast die Seele aus dem Leib tanzen und jede Samba-Schule versucht, die andere zu übertreffen, sei es in tänzerischem Können ihrer Mitglieder oder in der Pracht der Kostüme. Zahllose Familien hungern das ganze Jahr über, sparen jede noch so kleine Münze, die dann in die Ausstattung des Karnevals-Kostüms mit Glitter und Flitter und prachtvollen Stoffen gesteckt wird. Der Samba ist das Wichtigste im Leben eines brasilianischen Mädchens, so konnte es einem zuweilen vorkommen. Wichtiger noch als die erste Liebe, wichtiger als Vater und Mutter. Und für die Männer galt das kaum weniger.
Bei dieser Samba-Begeisterung war es schon ein Wunder, daß hier jemand versuchte, mit einer Tango-Truppe Zuschauer ins Haus zu holen. Aber vielleicht war es gerade das Ungewöhnliche, das Fremde, das den Anreiz bot.
„Ich dachte bisher immer, Tango ist ein Tanz für zwei Personen", sagte Dorian und warf einen Blick auf die noch leere Bühne. Die Vorstellung hatte noch nicht begonnen. „Ich bin wirklich gespannt, was Don Felipe daraus macht, um eine Show zu bieten, wie das Plakat so schön verkündet."
„Plakate versprechen oft mehr, als dahinter steckt", sagte Coco. „Das wird in Brasilien nicht anders sein als in Österreich, England oder dem Rest der Welt. Trotzdem - lassen wir uns einfach mal überraschen."
Verdient hatten sie sich die
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