1713 - Carlotta und die Vogelmenschen
was er sagte.
Johnny zog ihn mit sich. Und wieder liefen beide durch den Schnee, während Carlotta hinter ihnen zurückblieb und dafür sorgte, dass die Vögel nicht mehr fliegen konnten. In dieser Situation wuchs sie weit über sich selbst hinaus und bewies, was für eine Kämpferin sie war.
»Ist es noch weit bis zum Auto?«, keuchte Edwin.
»Keine Sorge, wir schaffen es.«
Johnny wusste nicht, ob er das Versprechen einhalten konnte. Bis zum jetzigen Zeitpunkt war alles einigermaßen glimpflich abgelaufen, auch wenn ihn zwei Schnabelhiebe erwischt hatten, aber mehr gestreift, sodass er keine tiefen Wunden davongetragen hatte.
Und dann sah er etwas, das ihn irritierte. Er schaute am Geländewagen vorbei. Weit dahinter glaubte er, zwei tanzende Lichter zu sehen, die in seine Richtung fuhren. Er wusste nicht was das zu bedeuten hatte. Fast sah es aus, als ob die Lichter zu einem fahrenden Auto gehörten, aber es konnte auch eine Täuschung sein.
Er hätte schneller laufen können. Mit Edwin war das ein Problem. Der Blinde konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er wurde von Johnny mehr durch den Schnee gezogen, als er ging.
Johnny spürte auch, dass die Last hinter ihm immer schwerer wurde, und schrie den Blinden an. »Reiß dich zusammen, sonst schaffen wir es nie!«
Eine Erwiderung hörte er nicht. Sein Schützling war schon zu kraftlos, um antworten zu können.
Dann hatten sie es fast geschafft. Vielleicht noch knappe zehn Meter, dann konnten sie einsteigen.
Nein, das war nicht mehr drin. Ob Johnny wollte oder nicht, jetzt musste er sich um die Personen kümmern, die dabei waren, den Wald zu verlassen. Nur einige trugen Fackeln, aber die hässlichen Masken saßen weiterhin auf ihren Köpfen und gaben ihnen ein schauriges Aussehen.
Johnny blieb stehen.
»Sind wir da?«, keuchte Edwin.
»Fast.«
»Dann – dann lass uns den Rest gehen.«
»Das wird schwer werden, denn ich sehe einige Typen, die wohl etwas dagegen haben …«
***
Maxine Wells raste durch die Nacht. Lieber hätte sie in ihrem Geländewagen gehockt. Das war leider nicht möglich, und so musste sie das Beste aus ihrer Tour machen.
Mit dem Kleinwagen war sie bisher nie ins Gelände gefahren. Immer wieder geriet sie auf der Schneefläche ins Rutschen, aber es gelang ihr stets, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Sie hielt das Lenkrad hart umklammert. Ihr Gesicht zeigte den Ausdruck vollster Konzentration. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben, sich auch nicht verfahren, und so hielt sich Maxine Wells stets in Sichtweite des Gleiskörpers.
Das dunkle Areal des Waldes erschien an der linken Seite, zwischen ihr und dem Waldrand gab es noch eine freie schneebedeckte Fläche.
Das Fernlicht der beiden Scheinwerfer leuchtete lange Zeit ins Leere, was sich plötzlich änderte. Zwar sah sie nichts Genaues, aber sie erkannte vor sich einige Bewegungen, die sich sowohl in der Luft als auch auf dem Boden abspielten. Was es genau war, konnte sie nicht erkennen, und sie handelte instinktiv, als sie die Scheinwerfer löschte.
Die Dunkelheit stülpte sich wie ein Sack über sie.
Maxine ging vom Gas. Sie konnte nicht mehr so schnell fahren, denn jetzt gab nur noch der Schnee eine gewisse Helligkeit ab. Wie graue Pappe bedeckte er den Boden.
Maxine wusste es nicht mit Sicherheit, aber vor ihr geschah etwas. Da hielten sich Menschen auf, die brennende Fackeln trugen.
Von Carlotta und Johnny hatte sie noch nichts gesehen. Dennoch war sie überzeugt davon, sich auf dem richtigen Weg zu befinden. Einen Plan, wie sie vorgehen sollte, hatte sie nicht. Das wollte sie entscheiden, wenn es so weit war.
Und das war jetzt der Fall.
Maxine hatte einen großen Teil der Distanz zwischen sich und dem Fackellicht zurückgelegt. Näher wollte sie nicht an das Geschehen heran. Den Rest der Strecke konnte sie auch zu Fuß gehen.
Sie hielt an. Dann stieg sie aus und drückte die Wagentür leise hinter sich ins Schloss.
Die Schneefläche hatte an manchen Stellen eine leichte Eisschicht bekommen. Es waren Stellen, auf die sie achtgeben musste, um nicht auszurutschen.
Der Atem dampfte als kleine Wolken vor ihren Lippen. Der dicke Mantel schützte sie vor der Kälte. Eine Mütze hatte sie vergessen. Sie merkte schon bald, dass die Kälte in ihre Ohrmuscheln biss.
Weiter. Nicht aufhalten lassen. Näher an den Ort des Geschehens herankommen, ohne selbst gesehen zu werden.
Und sie dachte daran, was in ihrer rechten Seitentasche steckte. Es war die
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