1716 - Assungas Hexensturm
Sorte.«
»Und du glaubst, dass du sie hier findest?«
»Möglich ist alles …«
***
Mike Gentry war allein in seinem Büro zurückgeblieben. Hätte er in einen Spiegel geschaut, er hätte seinen roten Kopf gesehen, aber er wusste auch so, wie er aussah. Der Besuch der beiden Polizisten hatte ihn geärgert. Ihm war Zeit verloren gegangen. Er hatte mit einem Lieferanten sprechen wollen, und wahrscheinlich war der Mann jetzt außer Haus.
Trotzdem versuchte er es.
Nein, der Mann war nicht mehr da, wie ihm gesagt wurde. Er würde ihn erst in zwei Stunden wieder erreichen können und dann auf seinem Handy, das während der Flugzeit ausgeschaltet sein musste.
Auch in diesen sauren Apfel musste er beißen und sich vorsehen, dass er sich dabei nicht verschluckte.
Er wollte sich dann anderen Aufgaben widmen. Er hatte sich vorgenommen, die Lagerbestände durchzusehen. Das konnte auf dem Computer abgerufen werden, was er auch tat. Er schaute sich die Listen an, die auf den Bildschirmen erschienen. Zahlenkolonnen, aus denen er mit raschem Blick erkannte, was fehlte. Einige Spielsachen gab es nicht mehr zu kaufen, und das hakte er auch ab. Er brauchte den Platz, um ihn jahreszeitlich herzurichten. Gartengeräte waren wichtig. Von der Gießkanne angefangen bis hin zum Rasenmäher. All das ließ sich hier kaufen, und Mike Gentry war stolz darauf, auch Markengeräte anbieten zu können.
Seine Laune besserte sich. Er hatte gedacht, dass mehr Waren fehlen würden. Das war nicht der Fall und er musste zugeben, dass seine Mitarbeiter gut gearbeitet hatten.
Es war Zeit für eine kleine Pause. Obwohl innerhalb des Supermarktes Rauchverbot herrschte, hatte er das für sich in seinem Büro aufgehoben. Hin und wieder gönnte er sich eine Zigarette. Da interessierte ihn das Geschwätz der anderen Leute nicht. Zudem öffnete er das Fenster und blieb in seiner Nähe stehen, um sich einen Glimmstängel anzuzünden.
Jetzt spukte ihm wieder der Besuch der beiden Polizisten durch den Kopf, als er den Rauch ins Freie blies. Dass hier auf dem Parkplatz jemand umgebracht worden war, dazu noch verbrannt, war alles andere als gut für das Geschäft. Es konnte aber auch sein, dass die Leute aus Neugierde herkamen und dann nicht nur auf dem Parkplatz blieben, sondern auch etwas kauften.
Aber wer hatte die Frau getötet? Oder hatte sie sich selbst angezündet? Diese beiden Alternativen standen zur Wahl. Er kannte Elaine Porter wie die meisten seiner Angestellten nur flüchtig. Welch ein Privatleben sie führte, war ihm unbekannt.
Noch einen letzten Zug nahm er, dann drückte er die Kippe auf der äußeren Fensterbank aus, wollte wieder zurück an seinen Schreibtisch und spürte plötzlich den Luftzug. Er wusste sofort, dass er nicht aus dem offenen Fenster gekommen war, und drehte den Kopf, um zur Tür zu schauen.
Sie stand tatsächlich offen.
Aber sie hatte sich nicht von allein geöffnet. Jemand hatte sie schon aufgestoßen, und als Gentry diese Person sah, da glaubte er, sich in einem Film zu befinden, denn so wie sie sah kaum jemand in der Realität aus.
Die Frau hatte blondes Haar. Dazu ein völlig glattes und puppenhaftes Gesicht. Ihre Kleidung mit dem viereckigen Ausschnitt bestand aus dünnem Leder, das so eng wie eine zweite Haut saß, wobei die Brüste noch in die Höhe geschoben wurden, sodass sie beinahe aus dem Ausschnitt quollen.
Die Blonde schloss die Tür.
Mike Gentry schnappte nach Luft. »Verdammt, wie kommen Sie hierher? Wer sind Sie?«
Die Frau ging einen Schritt auf ihn zu, blieb dann stehen und sagte: »Mein Name ist Justine Cavallo …«
***
Mike Gentry sagte nichts. Das konnte er auch nicht. Er hatte das Gefühl, dass ein Kloß seine Kehle verstopfte. Solch eine Person zu sehen, das hatte ihm die Sprache verschlagen.
Nicht dass er etwas gegen Frauen gehabt hätte, im Gegenteil, er mochte sie, aber bei dieser war das etwas anderes. Sie strahlte was aus, das ihn abstieß. Es war eine Kälte und zugleich eine mehr als normale Selbstsicherheit. Die wusste genau, was sie tat, was sie wollte, dazu brauchte sie nicht mal etwas zu sagen, das war einfach so, das sah man ihr an.
In den folgenden Sekunden sprach niemand ein Wort. Die Blonde gab dem Geschäftsführer die Gelegenheit, sich an sie zu gewöhnen, was Gentry nicht schaffte. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er war sonst nicht auf den Mund gefallen, doch jetzt kam er sich vor, als stünde jemand vor ihm, der ihn in die Mündung einer
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