1722 - Flucht in die Finsternis
gefüllte Säcke, und der Geruch, der den Raum erfüllte, war alles andere als angenehm.
Das war einer Unperson wie Olivia Peck egal. Sie wollte erst mal hier abwarten, nachdenken und sich auch Zeit lassen, bevor sie wieder etwas unternahm.
Möglicherweise traf auch die blonde Justine ein, um ihr einen Ratschlag zu geben.
Jetzt hieß es erst mal warten. Wenn in der nächsten halben Stunde nichts geschah, dann habe ich wohl Glück gehabt, dachte sie. Aber ganz sicher war sie sich nicht …
***
Suko, der Fahrer, hatte wirklich eine Meisterleistung vollbracht, die ich nicht so geschafft hätte. Es war ihm gelungen, dem kleinen Fiat auf den Fersen zu bleiben, obwohl die Frau eine geschickte Fahrerin war und jede sich bietende Lücke ausnutzte, um ihre Fahrt fortsetzen zu können.
Glücklichweise war der Verkehr auch in der Nacht noch ziemlich stark. Es gab zwar keine großen Staus mehr, doch hin und wieder wurde auch der Fiat gestoppt, sodass wir ihn immer wieder hatten und ein Entkommen nicht drin war.
Wir wussten, dass sie uns gesehen hatte. Ihre Fahrweise hatte darauf schließen lassen, aber wir fuhren nie so dicht auf, dass wir auffielen, auch nicht bei den Stopps, denn da hielten wir uns bewusst zurück. Irgendwann fiel uns auf, dass wir uns in Richtung Paddington bewegten.
»Was will sie denn da?«, fragte Suko.
»Keine Ahnung.«
»Dann hat sie dort ein Versteck.«
»Das ist möglich.«
Wir blieben hinter ihr. Das war nicht leicht in der Gegend nördlich des Hyde Parks. Da brauchte Suko schon all seine Konzentration und Fahrkünste.
Ich telefonierte. Ja, ein Notarzt war eingetroffen, und ich hatte auch unsere Yard-Leute hingeschickt, die sich um die Toten kümmerten. Ich erfuhr auch, dass beide Katangas in ärztlicher Behandlung waren und man auch diesen Alf mitgenommen hatte.
Suko meinte: »Wenn das so weitergeht, sind wir bald am Bahnhof.«
»Oh – will sie mit dem Zug fliehen?«
»Kann sein. Da wird sie sich aber verstellen müssen. Nein, nein, ich denke, dass sie etwas anderes vorhat.«
»Mal sehen.«
Wir blieben dran. Die beiden Heckleuchten waren für uns die Anhaltspunkte. Sie glühten in einem düsteren Rot, das irgendwie zu der Blutsaugerin passte.
Zum Bahnhof wollte sie nicht. Da hätte sie nach links abbiegen müssen. Jetzt waren wir gespannt. Wir gerieten in den Kreisverkehr an der Read Street, und jetzt bog der Fiat nach rechts ab. Schnell erschienen an der linken Seite die hohen Bauten des St. Marys Hospital, und es war zu sehen, dass der Fiat langsamer fuhr.
Auch Suko ging vom Gas. »Ich denke mal, dass wir nicht mehr lange unterwegs sein müssen.«
»Das ist wohl wahr.«
Und dann war der Wagen plötzlich weg. Suko gab einen Knurrlaut ab, ich zischte einen leisen Fluch durch die Zähne, und für einen Moment dachte ich, dass hoffentlich nicht alles umsonst gewesen war und wir den Fiat wieder fanden.
Wir rollten geradeaus weiter, es war schon eine offizielle Zufahrt zum Krankenhaus. Laternen erleuchteten diesen Weg. In der Ferne klang das Heulen einer Sirene auf. Wahrscheinlich würde gleich ein Krankenwagen den Weg hier benutzen.
So lange blieben wir nicht. Denn Suko kurbelte das Lenkrad nach links, da wir schon beinahe das Ende des Geländes erreicht hatten. Ich hatte den schmalen Weg nicht gesehen und fragte nur: »Bist du dir sicher?«
»So gut wie.«
»Okay.«
Wir schlichen förmlich dahin und hielten die Augen weit offen. Aber es gab nicht viel zu sehen für uns, denn die Bäume rechts und links nahmen uns die Sicht.
»Irgendwo muss er sein«, flüsterte Suko. »Da verwette ich meinen Hut.«
»Hast du einen?«
»Nein, aber ich würde mir einen zulegen.«
Ach ja, wir hatten noch etwas getan. Wir fuhren ohne Licht und krochen praktisch in der Dunkelheit weiter. Unsere Köpfe befanden sich in ständiger Bewegung, weil wir in die Lücken zwischen den Bäumen schauen wollten.
Da war nichts.
Kein Wagen.
Keine Bewegung.
Und doch hatten wir Glück. Das war wie ein kleines Füllhorn, das sich plötzlich öffnete. Es gab nur einen Gegenstand darin, und das war ein gelber Fiat.
»Also doch«, murmelte Suko und stoppte den Rover. »Da habe ich mal wieder eine Nase gehabt.«
»Das gebe ich neidlos zu.«
»Willst du aussteigen?«
»Und ob.«
Es bestand zwar nur eine geringe Chance, dass jemand in dem Wagen saß, aber auch die wollte ich nutzen und leuchtete sogar hinein. Das Auto war leer. Hätte ich mir auch denken können, und so stieg ich wieder in den
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