1722 - Flucht in die Finsternis
Rover.
»Was denkst du jetzt?«
Ich schloss leise die Tür. »Dass sie hier in der Gegend ist. Hier kann man sich wunderbar verstecken. Die Bäume bieten Schutz genug.«
»Okay, aber was machen wir?« Suko deutete nach vorn. »Sollen wir den Weg weiterfahren?«
»Ja und nein.«
»Wieso?«
»Du kannst fahren.«
»Aha. Und du?«
»Ich gehe zu Fuß.«
Suko sagte nichts. Er dachte nur nach, dann hob er die Schultern und nickte zugleich. »Ich werde dann irgendwann auf dich warten.«
»Tu das. Nur habe ich das Gefühl, dass du nicht mehr so weit fahren musst. Außerdem kommt mir diese Strecke mehr wie eine Sackgasse vor.«
»Was gäbe es denn an deren Ende?«
»Wenn du losfährst, wirst du es sehen.«
»Okay, Alter, mach dich vom Acker.«
Das tat ich, stieg aus, drückte die Tür leise zu und schaute dem Rover nach, der im Schritttempo weiterfuhr …
***
Ob ich einen Fehler gemacht hatte oder nicht, das wusste ich nicht. Zwar verfolgten wir nur eine Person, die aber musste sich in diesem Gebiet hier auskennen, sonst wäre sie nicht hergefahren.
Ich überlegte, ob ich mich in diesen lichten Wald schlagen sollte. Das tat ich auch, blieb aber immer nahe der Straße, sodass ich in beide Richtungen schauen konnte.
Der Rover war in der Dunkelheit abgetaucht. Nicht mal sein Umriss war zu sehen. Das lag an der Strecke, denn jetzt führte der schmale Weg in eine Linkskurve.
Ich ging in die Kurve, erreichte ihren Scheitelpunkt – und sah den Wagen wieder. Er wurde nicht mehr gefahren, sondern parkte vor einem Gebäude, von dem ich bisher nichts gesehen hatte.
Zuerst dachte ich an ein Haus, musste dann meine Meinung ändern, weil ich erkannte, dass es sich um eine Kapelle handelte, die allerdings keinen Turm hatte, sondern an der Vorderseite einen recht spitzen Giebel. Das also musste das Ziel der Blutsaugerin sein.
Warum gerade hier?
Dieser Gedanke beschäftigte mich, als ich auf den schmalen Bau zuging und natürlich auf den Rover. Ich rechnete damit, dass Suko mich erwartete. Das war ein Irrtum. Er stand nicht neben dem Auto und saß auch nicht darin, sodass nur eine Möglichkeit offen blieb. Er war in die Kapelle gegangen.
Mein Verdacht bestätigte sich, als ich die zu einem Drittel geöffnete Tür sah. Ich schlich hin und lauschte, aber es war nichts zu hören.
Reingehen oder nicht?
Eigentlich ja, und doch zögerte ich, denn ich drehte mich noch mal um, weil ich sichergehen wollte, dass die Luft in meiner Umgebung rein war.
Sie war es. Zumindest sah ich nichts, und deshalb schob ich mich vor und dann durch die Lücke in die Kapelle hinein …
***
Auch Suko war überrascht, als er plötzlich die Kapelle vor sich sah. Das war das Ziel. Es gab kein Weiterkommen mehr, denn dieser Weg führte tatsächlich in eine Sackgasse.
Suko überlegte. Es gab für ihn zwei Alternativen. Entweder wartete er auf John oder er betrat die Kapelle und schaute sich erst mal um. Dass sich die Vampirin dort versteckt hielt, davon ging er aus. Ein besseres Versteck hätte sie nicht finden können, und er fragte sich auch nicht, warum sie gerade hier gelandet war.
Die Tür stand so weit offen, dass er sich durch den Spalt schieben konnte. Auch ein Indiz dafür, dass er nicht allein hier war und er damit rechnen musste, dass jemand auf ihn lauerte.
Es gab keine Lichtquelle in der Kapelle. Und Suko sah sie zudem nicht unbedingt mehr als ein Gotteshaus an, denn sie war als Lagerhalle zweckentfremdet worden. Säcke, Kisten und auch sperrige Metallteile standen hier und warteten darauf, abgeholt zu werden.
Die Kapelle war zwar klein, doch sie hatte recht große Fenster. Nicht alle Fenster lagen frei, doch Suko sah eines, hinter dem das Grau der Nacht lag. Das Glas war nicht bemalt, dafür sah er hinter der Scheibe ein Gitter.
Nur das war nicht wichtig.
Es stand jemand vor dem Fenster, und das war die Person, die er und John suchten.
Suko stoppte. Er konnte es kaum glauben und wischte kurz über seine Augen. Das Bild blieb bestehen. Er hatte sich nicht geirrt. Das war sie. Das war die Blutsaugerin, die auf den Namen Olivia Peck hörte. Schattenhaft und doch recht gut sichtbar malte sie sich vor dem Hintergrund des Fensters ab. Sie drückte sich dabei gegen das Fenster, den Kopf hatte sie ein wenig nach vorn geschoben, den Mund weit geöffnet, und so präsentierte sie ihre beiden Blutzähne. Jeder sollte sie sehen, und Suko sah sie.
Ihm kam diese Unperson vor, als hätte sie sich bewusst an diese Stelle gestellt, um auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher