1727 - Der Schrecken von Dartmoor
hätte treffen müssen, das wäre normal gewesen. Das wusste auch die Polizistin, und auch ein Sprung zur Seite hätte ihr nichts genutzt.
So flog die Kugel auf sie zu. Alles bekam sie mit. In winzigen Abschnitten schien die Zeit langsamer abzulaufen. Sie sah das Geschoss, das sie im Hals oder etwas tiefer in der Brust erwischt hätte, aber dazu kam es nicht, denn kurz bevor das Geschoss sie erreichte, vollführte es einen Schwenk und hämmerte in die Tür.
Erica Fox brüllte auf. Sie schnellte von ihrem Stuhl in die Höhe und setzte zu einem neuen Schuss an.
Auch diese Kugel hätte die Polizistin getroffen, aber sie wurde abgelenkt und zwar zur anderen Seite hin.
Dann schrie Erica erneut auf.
Es waren Schreie der Wut, des Hasses, und sie konnte auch nicht ruhig dabei bleiben. Sie hasste ihre Tochter. Sie wollte sie vernichten, nicht durch Schüsse, sondern durch körperliche Gewalt.
Erica hob das Gewehr an und drehte es um, um mit dem Kolben das Gesicht der Tochter zu zerschmettern. Vom Hass und von den Mächten der Hölle wurde sie getrieben. Der schwere Kolben raste nach unten. Es gab keinen Schutz für die Polizistin, die sich nicht zur Seite bewegte und alles darauf hindeutete, dass der Kolben sie treffen würde.
Da bewegte sich Jason Flint. Er hatte erkannt, in welchem Zustand sich Angela befand. Mit beiden Händen und so kraftvoll wie möglich stieß er den Tisch nach vorn, dessen Kante Erica in Bauchhöhe erwischte.
Der Schlag gelang ihr zwar noch, aber der Treffer hatte sie aus der Richtung gebracht. Sie stürzte dabei nach vorn, und der Kolben krachte gegen einen Hängeschrank und zertrümmerte die Tür und einen Teil des Porzellans, das sich dahinter befand.
Das Geräusch riss die Polizistin aus ihrer Erstarrung. Sie besann sich wieder auf sich selbst. Einige Teller rutschten noch nach, als sie auf ihre Mutter zusprang und zwei Handkantenschläge ansetzte, die ausreichten, um Erica ins Reich der Träume zu schicken. Auf der Stelle sackte sie zusammen.
»Mein Gott«, flüsterte Jason Flint nur. »Mein Gott…«
Genau diese Worte hörten auch wir, als wir die Tür bis zum Anschlag aufrissen und sofort danach erkannten, was hier ungefähr abgelaufen war…
***
Etwa drei Minuten später. Wir hatten uns wieder gefangen. Es war alles okay. Das heißt, nur äußerlich, denn in unserem Innern sah es anders aus. Angela Fox war endlich in der Lage, uns zu sagen, was hier abgelaufen war. Und man konnte nicht davon ausgehen, dass es ihr Spaß gemacht hatte, die eigene Mutter niederzuschlagen.
»Aber es ging nicht anders«, flüsterte sie. »Sie hat auf mich geschossen, zweimal sogar. Ja, das muss ich leider sagen. Mutter schießt auf Tochter, aber mir ist es gelungen, den Kugeln auszuweichen.« Sie lachte schrill auf. »Der Teufel hat mich vor einer seiner Dienerinnen beschützt. Da hat er sich wohl selbst in den Arsch getreten. Sorry, aber das musste einfach raus.«
Im Prinzip stimmte es. Wieder mal hatten wir eine verrückte Situation erlebt, und wir wussten, dass sie noch nicht zu Ende war. Es würde weitergehen, denn dies hier war erst der Anfang.
Jason Flint kannten wir inzwischen auch, und er wusste, wer wir waren.
Suko kam darauf zu sprechen, dass Erica und ihr Mann aus der Klinik entkommen waren.
Angela gab die Antwort. »Wo mein Vater ist, weiß ich nicht. Vielleicht lauert er noch im Hintergrund.«
»Nein«, sagte Jason Flint. »So ist das nicht. Er war nicht dabei. Sie ist ihn los geworden.«
»Wie?«
Er schaute Angela an. »Er war wohl ein Hindernis. Sie hat mir nicht gesagt, dass sie ihn getötet hat, doch ihren Worten konnte ich das entnehmen.«
»Wir werden alles erfahren, wenn sie erwacht«, sagte ich und warf Angela einen fragenden Blick zu, die vor dem Fenster stand und ihre Arme vor der Brust verschränkt hielt.
»Ich kann dir nicht mehr sagen, John. Wir haben nicht miteinander gesprochen. Sie hat sofort geschossen. Den Rest kennst du.«
»Klar.«
Suko hatte mit den Füßen einige auf dem Boden liegende Scherben zusammengeschoben. Er ging zum Waschbecken, fand eine große Tasse, füllte sie mit Wasser und goss es der am Boden liegenden Erica Fox ins Gesicht, um das Erwachen zu beschleunigen.
Leider hatte er keinen Erfolg. Zwar gab sie einige Laute von sich, aber sie erwachte nicht.
Angela starrte vor sich hin. Erst meine Frage riss sie aus ihrer Lethargie. »Kannst du mir sagen, wie du zu deiner Mutter stehst?«
»Ich?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich stehe nicht
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