1729 - Totenliebe
allerdings, was diese Geste bedeutete. War das ein Zeichen ihrer übergroßen Liebe, die einem Toten galt?
Das war für mich nicht nachvollziehbar. So reagierte einfach kein normaler Mensch, und ich dachte daran, dass man ihr Verhalten auch nicht als normal bezeichnen konnte. Da konnte es sich schon um eine Psychose handeln.
Stören wollte ich Elisa nicht. Ich ließ sie in Ruhe mit der Steinfigur kommunizieren und wartete darauf, dass sie auf irgendeine Art und Weise eine Antwort bekommen würde.
Ob sie von ihrem toten Geliebten etwas hörte, wusste ich nicht. Das bekam ich auch nicht zu sehen. Jedenfalls zuckte sie nach einer Weile zusammen und holte so tief Luft, dass dabei ein stöhnender Laut entstand. Danach richtete sie sich langsam wieder auf, ohne mich irgendwie wahrzunehmen. Sie blieb jetzt vor dem Grab stehen und schaute auf die Figur hinab.
Ich wollte sie fragen, aber sie kam mir zuvor und drehte den Kopf nach rechts. Wir schauten uns an, ich lächelte, und sie nickte, bevor sie sagte: »Jetzt weißt du Bescheid, John.«
Sie war in einen vertrauten Tonfall übergegangen, der mich nicht störte.
»Was meinst du damit?«
Sie wies auf die Figur. »Das ist Eric.«
»Nein, Elisa, das ist er nicht. Das ist das Werk eines Steinmetzes oder Bildhauers. Dein Eric wird in der Erde liegen und das sicherlich schon seit sehr langer Zeit.«
»Und ich liebe ihn«, murmelte sie.
Dagegen war nichts einzuwenden, solange sich diese Liebe nicht in eine Psychose verwandelte. Das sagte ich ihr nicht, sondern fragte: »Wie ist es möglich, dass du ihn liebst?«
»Weil er mich auch liebt.«
»Aha. Da bist du dir sicher?«
Sie schaute mich beinahe zornig an. »Natürlich bin ich mir da sicher. Wie kannst du so etwas fragen? Er liebt mich, und ich liebe ihn. So ist das und nicht anders.«
»Sorry, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Und woher weißt du das alles?«
»Er hat es mir gesagt!«
Jetzt wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte, auf keinen Fall wollte ich lachen, das musste ich mir schon verkneifen. Aber konnte ich Elisa ernst nehmen?
Ich nickte und lächelte. »Damit wir uns richtig verstehen, dein Ritter Eric ist tot.«
»Na und?«
»Können Tote reden?«
»Warum nicht?« In ihren Augen sah ich plötzlich einen Strahlenglanz. »Eric war immer etwas Besonderes. Er hat es mir gesagt, wenn er mich besuchte. Er war nicht nur ein schlichter Ritter. Er war mehr als das, denn er gehört einem Orden an.«
»Das war bei vielen Rittern der Fall. Welchem Orden diente Eric Turner denn?«
»Er war in einen besonderen Orden eingetreten. Er gehörte zu den Templern«, erklärte Elisa voller Stolz.
***
Ich sagte nichts, denn mit dieser Eröffnung hatte ich nicht gerechnet. Der Ritter war also ein Templer gewesen. Das gab der Geschichte ein ganz anderes Bild und ich war hellhörig geworden.
»Templer?«, murmelte ich.
Sie hatte mich trotzdem verstanden. »Ja, so heißt der Orden. Die Ritter waren besonders gut. Sie standen immer an der ersten Stelle. Sie führten die Kampfhandlungen an, aber man hat es ihnen nicht gegönnt. Ein großer Teil der Kirche und letztendlich auch der Papst standen gegen sie, und so kam es zur Vernichtung oder Zerschlagung des Ordens, was einfach grauenhaft war.«
»Ich kenne ihre Geschichte.«
»Das weiß ich. Deshalb habe ich dich auch ausgesucht.«
»Und was soll ich tun?«
»An meiner Seite bleiben, wenn es zu einer Begegnung zwischen mir und ihm kommt.«
Das war mir alles ein wenig zu weit hergeholt, aber so direkt wollte ich nicht sein. Ich fragte stattdessen mit leiser Stimme: »Es geht hier um einen Toten, das hast du mir gesagt – oder?«
»Ja, das habe ich.«
»Dann ist es gut. Man kann sich eigentlich nicht in einen Toten verlieben. Allerdings gebe ich zu, dass man für irgendwelche verstorbenen Stars schwärmen kann. Popgruppen, Filmstars und…«
»Ich liebe Eric Turner. Und er ist nicht tot, das weiß ich genau. Er lebt irgendwie weiter, sonst hätte ich mich ja nicht in ihn verlieben können.«
»Gut, akzeptiert. Das hört sich an, als hättet ihr beide schon Kontakt gehabt.«
»Ja, so ist es…«
»Ach? Und wie?«
»Er weiß, dass ich ihn liebe. Er kennt mich. Er ist da. Ich muss ihn nur finden, und dazu fühle ich mich zu schwach. Deshalb brauche ich Hilfe.«
»Aha. Und die soll ich dir geben?«
»Ja, denn ich weiß, dass du es kannst. Hilf mir, ihn zu finden.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Eigentlich weiß ich ja schon, wo er sich befindet.« Ich
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