173 - Der Dämonen-Henker
Waffe dazu.
Besitze ich die? fragte sich Chrysa bange, doch sie wollte auf jeden Fall an ihrem Entschluß festhalten.
»Komm hierher!« befahl der Dämon mit seiner kräftigen Stimme, die stets ein wenig nach dem aggressiven Knurren eines Panthers klang.
Zaghaft setzte sich Chrysa in Bewegung. Jeder Schritt, der sie dem Dämon näher brachte, steigerte ihre Angst.
Er hatte Krallen an den Fingern, spitz und scharf, die er einziehen konnte. Damit hatte er Chrysa schon so manche schmerzhafte Verletzung zugefügt.
Aber den körperlichen Schmerz konnte sie ertragen. Es war der seelische, den sie nicht mehr verkraftete.
Sie erreichte ihn, und er musterte sie wie etwas, das ihm gehörte und an dem er großen Gefallen fand. Sein breites Grinsen widerte sie an.
Er streckte unvermutet die Hand aus, und seine Krallen zuckten hervor. Die weiße Hexe schrak zusammen.
»Leg dein Gewand ab!« verlangte Oggral.
Der Feuerschein rötete Chrysas Gesicht und ließ Lichtreflexe in ihren braunen Augen tanzen. Der Pegel ihrer Nervosität schlug jetzt ganz hoch aus, denn wenn sie gehorchte, würde Oggral den Dolch sehen.
Trotz der Wärme, die ihr aus den Feuerschalen entgegenschlug, fröstelte sie.
Der Dämon begab sich zu einem breiten Lager und ließ sich darauf nieder. Chrysa versuchte ihr Glück; sie folgte ihm, ohne sich zu entkleiden.
Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, als sie das Lager erreichte. Heimlich aktivierte sie ihre Hexenkräfte, die den Dolch zur tödlichen Waffe machen sollten.
Oggral beachtete sie im Moment nicht. Er drehte sich zur Seite und griff nach einer Karaffe, in der sich ein Gebräu befand, das eine stark erotisierende Wirkung hatte. Damit wollte er einen großen Kelch füllen.
Das ist die Chance! schoß es Chrysa durch den Kopf.
Oggral rechnete mit keinem Angriff. Er war so leichtsinnig, ihr den Rücken zuzukehren. Wenn sie jetzt nicht handelte, war die beste Gelegenheit vertan, und es war fraglich, ob sich noch eine ergeben würde.
Blitzschnell riß sie den magischen Dolch aus dem Gewand, ihre Hexenkräfte schossen hinein, und sie stürzte sich voller Haß und Mordwillen auf den starken Dämon.
***
Ich goß mir einen Pernod ein und setzte mich. Ein Blick auf das Schachbrett genügte, um zu erkennen, daß mein Freund, der Ex-Dämon Mr. Silver, wieder einmal gemogelt hatte. Er konnte es einfach nicht lassen. Das Schummeln war für ihn bei jedem Spiel das Salz in der Suppe.
»Was soll das?« sagte ich verdrossen.
Der Hüne mit den Silberhaaren hob die Hände und schaute mich mit seinen perlmuttfarbenen Augen treuherzig an. »Ich schwöre dir, ich habe die Figuren nicht angerührt.«
»Das glaube ich dir sogar. Du wußtest dir anders einen Vorteil zu verschaffen.«
Er legte die Hände auf seine Brust. »Aber Tony…«
»Tu nicht so scheinheilig. Wir wissen, daß ein ehrliches Spiel für dich die reinste Folter ist. Dein Problem ist, daß du nicht verlieren kannst. Du machst es rückgängig, oder wir beenden die Partie, und ich habe gewonnen.«
»Das ist noch nicht entschieden«, sagte der Ex-Dämon, und plötzlich waren einige Schachfiguren von einem silbrigen Flirren und Flimmern eingehüllt.
Aus Mr. Silvers Turm wurde ein Pferd, aus meinem Turm ein Läufer, einer der Bauern wurde zur Dame.
»Du solltest mit deinen Kräften haushalten und sie für wichtigere Dinge zurückhalten«, riet ich dem Ex-Dämon und machte den nächsten Zug.
Der Hüne grinste. »Ach, weißt du, das tut meiner Kraft keinen Abbruch. So etwas mache ich mit links.«
»Ich wäre dir trotzdem dankbar, wenn du es sein ließest«, gab ich zurück, und nach sieben Minuten hatte ich meinen Freund so in die Enge getrieben, daß er sich geschlagen geben mußte, was ihm natürlich gehörig gegen den Strich ging.
Wir waren allein zu Hause – abgesehen von Boram, dem Nessel-Vampir, der sich so ruhig verhielt, als wäre er nicht anwesend. In die neue Umgebung hatten wir uns sehr rasch eingewöhnt. Das Haus am Trevor Place war größer, schöner und befand sich in einer attraktiveren Wohngegend, in der Nähe von Harrod’s, dem größten Kaufhaus der Welt, das auch die Mitglieder des Königshauses zu seinen Kunden zählte.
Das Haus, in dem wir früher gewohnt hatten, gab es nicht mehr.
Morron Kull, der ehrgeizige Dämon, hatte es von Satans Sprengmeister Toorsom in die Luft jagen lassen, und zwar so gründlich, daß nichts davon übrigblieb, nicht einmal Schutt. [1]
Durch dieses Attentat hatten wir einen
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