1733 - Tempel der Unsichtbaren
verlaufen würde, das hätte ich nicht gedacht, aber das Leben steckt eben immer voller Überraschungen.
Wir rollten in östliche Richtung auf die New Bond Street zu. Jane hielt sich an die Verkehrsregeln und fuhr sehr defensiv, was ich bei ihr nicht so kannte. Irgendetwas war mit ihr los, und das wollte ich herausfinden.
Ich nahm mir vor, sie noch eine Weile zu verfolgen und bei der nächstbesten Gelegenheit zu stoppen. Ich musste wissen, weshalb sie unterwegs war. Aus lauter Spaß fuhr sie nicht durch die Nacht, hier gab es ein Rätsel, das ich lösen musste.
Wir gerieten in einen Kreisverkehr und rollten auf die quer verlaufene Regent Street zu. Zuvor jedoch ergab sich die Gelegenheit zu einem Stopp.
Nicht wegen einer Ampel, vor uns war etwas passiert, denn da stauten sich die Fahrzeuge. Blaulicht sah ich auch, und ich hatte keinen Wagen zwischen uns gelassen, sodass ich direkt hinter Janes Golf anhielt.
Es würde ein längerer Aufenthalt werden. Die Fahrer hatten die Motoren abgestellt. Das tat auch ich und stieg aus. Zuerst reckte ich den Hals, um zu sehen, was weiter vor mir zu diesem Stau geführt hatte.
Es handelte sich nicht um einen Unfall. Hier fand eine Polizeikontrolle statt. Da die Kollegen sehr gründlich vorgingen, würde es eine Weile dauern, bis Jane Collins an der Reihe war. Das kam mir natürlich sehr entgegen.
Jane saß hinter dem Lenkrad und bewegte sich nicht. Auch das war unnatürlich. Eigentlich hätte Jane so reagieren müssen wie ich, denn sie war neugierig. In dieser Richtung tat sich nichts. Sie blieb im Wagen sitzen und bewegte nicht mal ihren Kopf. Das sah ich trotz der nicht eben idealen Lichtverhältnisse.
Ich ging langsam auf die rechte Fahrerseite zu und war gespannt, ob mich Jane auf dem Weg entdeckte, aber das war nicht der Fall. Sie schaute nur geradeaus.
Ich hatte damit gerechnet, außer ihr noch jemanden im Wagen zu sehen.
Das traf nicht zu, und so erreichte ich die Fahrertür, ohne dass ich gesehen worden war.
Ich wollte Jane nicht zu sehr erschrecken und klopfte leicht gegen die Seitenscheibe. Ich hatte mich geduckt, um in das Fahrzeug schauen zu können und bekam jetzt mit, dass sie zusammenzuckte, als wäre das Geräusch viel lauter gewesen.
Ich klopfte noch mal.
Jane drehte den Kopf.
Ihr und mein Gesicht befanden sich wegen meiner gebückten Haltung auf einer Höhe, und die Privatdetektivin erkannte mich auch. Sie reagierte in den nächsten Sekunden für mich völlig ungewöhnlich, denn sie zuckte zusammen und ihre Augen weiteten sich wie bei einem Menschen, der unter einem Angststoß leidet.
Ich lächelte, nickte und wollte die Tür öffnen, was nicht ging, denn sie war von innen verriegelt. Auch das wunderte mich. Während der Fahrt war so etwas normal, aber jetzt, wo sie stand, wunderte ich mich schon.
Ich klopfte noch mal.
Jetzt reagierte Jane. Allerdings nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte, denn sie schüttelte den Kopf. Und genau das machte mich erst recht misstrauisch.
Sie hatte mich erkannt. Sie wusste, wer ich war, und trotzdem wollte sie nicht mit mir sprechen. Das musste etwas zu bedeuten haben, und zwar nichts Gutes.
Ich ließ Jane vorerst in Ruhe und durchsuchte mit den Augen den Wagen. Nein, es befand sich keine andere Person darin. Nur Jane, und sie sah aus, als hätte sie eine Höllenangst.
Da stimmte etwas nicht, das war mir klar. Ich klopfte erneut gegen die Scheibe und rief Jane zudem zu, dass sie öffnen sollte.
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
Ein gequälter Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Er wirkte auf mich so schlimm, dass mir die Privatdetektivin sogar leid tat. Darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, ich war noch immer durch Tanners Anruf alarmiert und musste wissen, was passiert war. Auch diese unsichtbare Täterin spukte mir durch den Kopf. Möglicherweise war Jane Collins vor ihr geflohen.
»Bitte, Jane, mach auf!«
Sie tat es nicht.
Jetzt wurde ich drastisch. »Oder soll ich von da vorn Kollegen holen, damit sie die Scheibe einschlagen?«
Jane hatte mich gehört, ich sah ihr an, dass sie überlegte. Ich wollte auf keinen Fall aufgeben, hob wieder die Hand – da sah ich ihr heftiges Nicken.
Und dann löste sie die Sperre.
Endlich!
So sehr es mich drängte, die Tür zu öffnen, so sacht ging ich jetzt zu Werke. Ich riss sie nicht auf, sondern zog sie vorsichtig nach außen. Sie war halb offen, als mich Janes leise Stimme erreichte.
»Bitte, John, ich bin nicht allein...«
***
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