1737 - Das Blut der Zauberin
Gedanklich beschäftigte er sich noch mit Justine Cavallo, die sicherlich ihren eigenen Plänen nachging. Man würde sie woanders suchen müssen, das stand für ihn fest.
Bill ging einen Schritt auf die Tür zu und blieb dann stehen, als wäre er gegen ein Hindernis gelaufen. Er wusste selbst nicht genau, warum er das getan hatte, aber irgendetwas hatte ihn gestört. Etwas war anders als im Zimmer nebenan.
Er überlegte.
Dann zog er die Nase hoch und erschnüffelte förmlich die Luft. Genau das war es. Er musste nicht mehr lange nachdenken. Was ihn gestört hatte, hing mit der Luft zusammen, denn sie empfand er als anders als die im ersten Raum.
In ihr hing ein Geruch...
Aber welcher?
Bill hatte damit seine Probleme. Er wusste, dass er diesen Geruch nicht unbedingt mochte, weil er alles andere als angenehm war. Aber er war auch nicht in der Lage, ihn genau zu definieren. Es war ein Geruch, den er aus seinem Haus nicht kannte, denn da roch es nicht so alt. Vielleicht auch muffig oder abgestanden. Hier schon, und es mischte sich noch etwas Fremdes hinein.
Bill fühlte sich leicht irritiert. Er hatte vorgehabt, das Zimmer zu verlassen, das tat er jetzt nicht. Er blieb mitten im Raum stehen und dachte weiter über den Geruch nach.
Er musste eine Quelle haben, falls diese sich nicht schon verflüchtigt hatte.
Bill ging methodisch vor. Er wollte herausfinden, ob es eine Stelle gab, wo dieser Geruch intensiver war als woanders. Vor sich sah er den Schrank mit seinen beiden Türen. Es war nicht unbedingt gewollt, er ging trotzdem auf das Möbel zu – und stellte fest, dass sich der Geruch veränderte. Er war intensiver geworden. Nicht viel, aber doch zu riechen.
Bill starrte den Schrank an.
Für ihn gab es nur eine Möglichkeit. Der Geruch musste aus ihm kommen. Zwar waren die Türen geschlossen, aber er stellte fest, dass eine der beiden nur angelehnt war.
Bill dachte zwar nicht unbedingt an eine Falle, aber er war trotzdem sehr vorsichtig.
Noch einmal lauschte er.
Nichts war zur hören.
Bill umfasste den kleinen Knauf oberhalb des Schlosses, zögerte nicht mehr und zog mit einem Ruck die Schranktür auf.
Der Schrank war leer. Zumindest beim ersten Hineinschauen. Dann aber senkte der Reporter den Blick und sah das, was er nicht glauben wollte.
Mit angezogenen Knien hockte auf dem Boden des Schranks die Vampirin Justine Cavallo...
***
Serena sprach mit leiser Stimme. Wir mussten schon genau hinhören, um sie zu verstehen. Sie hatte sich als eine Heilerin bezeichnet, wobei sie auch blieb, zugleich aber gab sie zu, auch eine Mystikerin zu sein.
Wir erfuhren, dass sie sich des Öfteren in eine tiefe Trance versetzt hatte, um den Kontakt mit anderen Welten zu suchen. Es kam ihr darauf an, mit den Geistern der Heiligen in Verbindung zu treten. Davon gab es so viele, und sie hatte es auch geschafft.
»Und wo passierte das alles?«, fragte ich.
»Hier.« Sie nickte. »Ja, es geschah hier in der Gegend, denn ich stamme von hier.«
»Haben die Heiligen dein Flehen erhört?«
»Ja, das haben sie. Ich konnte Kontakt mit ihnen aufnehmen. Ich war danach nicht nur die Mystikerin, sondern auch eine Heilerin. Die andere Seite versorgte mich mit den nötigen Kräften. Ich erhielt heilende Hände, was sich bei den Menschen schnell herumsprach. Sie kamen zu mir, sie erzählten mir von ihren Krankheiten. Ich legte ihnen meine Hände auf und betete mit ihnen.«
»Aber da war noch das Blut in deinen Adern«, sagte ich. »Es ist ungewöhnlich, dass es schon bei geringem Druck aus dem Körper tritt. Was hat man damit gemacht?«
»Es waren die Geister der Heiligen. Sie sorgten für ein neues Blut – oder frischten das alte auf. Ich war davon sehr angetan, ich fühlte mich mit der anderen Seite verbunden. Ich erhielt ständig Botschaften. Die Geister der Heiligen wollten mich in ihren Kreis aufnehmen, aber ich wollte nicht, ich wollte leben und den Menschen so lange wie möglich etwas Gutes tun. Und so wurde mein Blut eben immer wieder aufgefrischt und verändert. Es garantierte mir ein besonderes Leben, ohne dass mich der Tod vollends in seine Klauen bekam. Ich blieb wie ich war, und immer mehr Menschen kamen zu mir. Es war eine wunderbare Zeit. Aber je mehr sich meine heilenden Kräfte herumsprachen, umso größer wurde auch die Gruppe der Neider. Und das habe ich zu spüren bekommen, denn ich war zu vertrauensselig. Ich nahm den Trank einer Frau zu mir, ohne zu wissen, dass dieser Trank vergiftet war. Bevor ich starb,
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