1739 - Justines grausamer Urahn
Sheila an.«
»Habe ich.«
»Und? Was sagst du dazu?«
Ich schwieg, aber ich hatte es geschafft, den linken Arm ein wenig anzuheben. Ich konnte ihn auch vorstrecken, aber plötzlich war mein Kreuz nicht mehr wichtig.
Serena ging einen Schritt auf die Blutsaugerin zu. Sie wollte nicht, dass Sheila von der Kugel getroffen wurde. Der Körper der Mystikerin veränderte sich dabei. Dort, wo sich die Schnitte abzeichneten, quoll plötzlich Blut hervor.
Sie sah schrecklich aus, aber ich empfand diesen Anblick nicht so. Und ich hatte auch keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern, denn meine Aktion musste einfach ein Erfolg werden.
Meine Hand befand sich nahe genug am Bein des alten Vampirs. Ich griff in den Stoff und zerrte so heftig wie möglich daran.
Der Vampir schwankte. Sein rechter Fuß löste sich von meinem Arm, dann kippte er zur Seite und genau auf die Cavallo zu. Sie schrie – und schoss...
***
Alles vorbei!, jagte es mir durch den Kopf.
Ich wusste nicht mehr, ob ich richtig gehandelt hatte, denn den Schuss hatte ich auf jeden Fall vermeiden wollen.
Ich musste davon ausgehen, dass Sheila getroffen worden war, aber ich hatte sie unterschätzt. Ihr war es gelungen, den kurzen Moment der Ablenkung zu nutzen. Sie war in die Knie gesackt, als hätte man ihr die Beine unter dem Körper weggezogen. Die Kugel hatte sie verfehlt. Wo sie steckte, war nicht zu sehen.
Zu einem zweiten Schuss kam die Cavallo nicht, denn der Körper des Vampirs prallte gegen sie. Sie stürzte zu Boden und wäre vom Körper ihres Urahn begraben worden, aber der konnte sich fangen und fiel nicht.
Ich kam wieder auf die Füße. Es war egal, ob mein rechter Arm schmerzte oder nicht. Ich griff den uralten Vampir an und wollte ihn zunächst mal aus dem Weg räumen, um Platz zu haben.
Meinen Kopf rammte ich in seinen Leib.
Er torkelte zurück, breitete die Arme aus, taumelte weiter zurück und auf die offene Tür zur Terrasse zu.
Und plötzlich wurde er schnell. Ich verfolgte ihn zwar, hatte es aber noch nicht geschafft, das Kreuz aus der linken Tasche zu ziehen, und das war sein Glück.
In den nächsten beiden Sekunden bekam er einen größeren Vorsprung und erreichte die Brüstung, über die er sich praktisch hinweg nach unten warf.
Wir befanden uns in der ersten Etage. Bis zum Boden war es nicht besonders weit. Einen solchen Sturz konnte man überleben, besonders, wenn man ein Vampir war und dann noch die Dunkelheit auf seiner Seite hatte.
Sollte ich die Verfolgung aufnehmen?
Für einen Moment spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken, ließ ihn dann aber fallen, denn es war einfach zu dunkel. Die Nacht gab ihm jede Menge Schutz.
Mein rechter Arm schmerzte. Ich kümmerte mich nicht darum, denn gebrochen war nichts. Noch einen letzten Blick warf ich über das Geländer in die Tiefe und wandte mich dann achselzuckend ab. Der nächste Weg führte mich zurück in die kleine Suite, wo sich das Bild radikal verändert hatte...
***
Sheila Conolly hatte es geschafft, meine Beretta an sich zu nehmen. Sie kniete neben ihrem Mann und half ihm mit der freien Hand hoch. Bill war noch ziemlich angeschlagen. Er hatte nicht mitbekommen, was passiert war. Sheila sprach auf ihn ein. Ob er alles verstand, war fraglich. Für mich war es auch nicht wichtig.
Ich konzentrierte mich auf die Cavallo und auf Serena. Justine hockte am Boden, und die Mystikerin saß in dem nahe stehenden Sessel, von wo aus sie die Blutsaugerin beobachtete.
»Willst du mein Blut, Justine? Du kannst es gern haben. Los, leck es ab!«
Die blonde Bestie stieß einen Fluch aus. Das war alles. Ich wusste sie unter guter Kontrolle und wandte mich an die Conollys.
Bill hatte mittlerweile erfahren, was abgelaufen war. Er ärgerte sich, dass er nicht hatte mitmischen können, war aber letztendlich froh, bei den Siegern zu sein.
Zu denen gehörte die Cavallo nicht. Ihre Schwäche war noch vorhanden. Im Gegensatz zu sonst war sie ein Wrack, und es wäre jetzt ein Leichtes gewesen, sie zu töten.
Sheila gab mir die Beretta zurück. »Es ist dein Job, John, dich um Justine zu kümmern.«
»Wir werden sehen.«
»Hast du schon eine Idee?«
Mit dem Handrücken wischte ich Schweiß von meiner Stirn. »Es wird nicht einfach sein. Wir haben hier ein regelrechtes Feld des Grauens hinterlassen.«
»Wieso?«
»Ich musste drei Halbvampire vernichten, und das ist nicht ohne Zeugen geblieben.«
»Weiß die Polizei davon?«, flüsterte Bill.
»Nein, noch nicht. Aber sie wird es bald
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