1739 - Justines grausamer Urahn
haben.«
Das hörte sich gut an. Ich sprach die Frau auf ein anderes Problem an. »Ich denke, dass Ihr Mann in ärztliche Behandlung muss. Da stimmen Sie mir doch zu – oder?«
»Auf jeden Fall.«
»Gut, da wäre ich beim Thema, Frau...?«
»Sagen Sie Silvia.«
»Danke. Können wir mit der ärztlichen Behandlung noch etwas warten? Sie sind Krankenschwester und schaffen es bestimmt, ihm einen Verband anzulegen. Außerdem blutet die Wunde nicht mehr.«
Sie gab auf meinen Vorschlag hin erst mal keinen Kommentar ab. Aber sie behielt mich im Blick.
»Sie meinen das ernst?«
»Ja, das meine ich.«
»Und warum?«
Silvia sah ich als eine sehr vernünftige Person an. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie nur ein dünnes Nachthemd trug. Ihre schwarzen Haare bildeten einen Kontrast zum hellen Stoff.
»Weil ich hier im Hotel noch etwas zu erledigen habe.«
Sie reagierte schnell. »Gibt es noch andere dieser Gestalten hier im Haus?«
»Davon muss ich ausgehen.«
»Und Sie wollen sie stellen?«
»Deshalb bin ich hier.«
Silvia schaute mich intensiv an, als sie fragte: »Was sind das nur für Menschen? Oder kann man sie als solche gar nicht bezeichnen? Ich bin mir nicht richtig sicher, aber ich hatte den Eindruck, als wollte dieser Unhold das Blut meines Mannes trinken. Das ist doch völlig daneben – oder?«
»Ja, das ist es.«
»Dann habe ich mich nicht getäuscht?«
»Genau.«
Jetzt wurde sie richtig blass. Es sah aus, als würde sie fallen, ich konnte sie aber festhalten.
»Muss ich weiterhin etwas fragen, John?«
»Nein, es ist besser, dass Sie alles so hinnehmen, wie es ist.«
Sie senkte den Blick. »Ja, das glaube ich auch.« Sie räusperte sich. »Bitte, warten Sie noch einen Moment, ich gehe ins Bad und werden dort einige Handtücher holen.«
»Okay.« Das Warten fiel mir zwar nicht leicht, aber in diesem Fall war es besser.
Paul schaute mich an. Er litt, aber er riss sich zusammen und stöhnte nicht. Sein Gesicht war schweißnass geworden. Etwas musste raus, und so flüsterte er: »Dieser Mensch – dieser Widerling hat mich mit dem Messer attackiert und hat tatsächlich mein Blut getrunken. Das – das – geht doch nicht – oder?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Aber warum? Ich habe bisher immer gedacht, dass es Schauergeschichten von Vampiren sind. Aber der hat nicht ausgesehen wie ein Vampir, finde ich.«
»Das ist richtig.« Ich musste ihm so etwas wie eine Erklärung geben. »Es gibt Menschen, Paul, die sind eben anders, ohne Vampire zu sein. Gestörte Personen, und dieser Mann war einer davon, wie auch sein Begleiter.«
»Hätte man uns denn getötet?«
»Ich weiß es nicht.« Da hatte ich ihm nicht die Wahrheit gesagt. In der Regel kannten die Halbvampire keine Gnade.
Silvia kehrte zurück. Sie hatte einen Bademantel übergestreift und die Handtücher geholt. Ich machte ihr Platz, damit sie sich um die Wunde kümmern konnte.
***
»Wissen Sie, Silvia, ich werde Ihnen später sagen, wann Sie einen Arzt rufen können.«
»Ja, ist schon recht. Und was haben Sie jetzt vor?«
Ich winkte ab. »Mich nach anderen Feinden umsehen.«
»Das hört sich kriegerisch an.«
»Manchmal befindet man sich auch im Krieg.« Ich ging zur Tür. »Schließen Sie bitte hinter mir ab.«
»Ja, werde ich machen.«
Sekunden später war die Tür hinter mir zugefallen. Ich stand auf dem Gang, zwar allein, doch ich wusste auch, dass mir die härteste Aufgabe noch bevorstand...
***
Die beiden Fragen hallten in Sheilas Ohren nach. Sie antwortete nicht und schloss für eine Weile die Augen.
Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich nichts verändert. Der Urvampir und die Cavallo zeigten, dass sie zusammengehörten. Sie bildeten ein Paar, so dicht waren sie beisammen. Sheila hasste diesen Anblick. Sie drehte den Kopf ein wenig und schaute auf ihren Mann, der auf dem Boden lag und sich nicht bewegte. Er war halb weggetreten. Sheila hörte sein leises Stöhnen.
Da die andere Seite auf eine Antwort wartete, wollte Sheila sie nicht enttäuschen. Mit fester Stimme erklärte sie: »Ich werde nicht kommen!«
Der Urvampir lachte. Es war nur ein kurzes und auch abgehackt klingendes Gelächter. Dann fragte er: »Du weigerst dich?«
»Das habe ich gesagt.«
Justines Ahnherr wandte sich an die Blutsaugerin. »Was sagst du dazu?«
»Ich will ihr Blut.«
»Ich weiß.« Er lachte. »Bist du stark genug, um es dir zu holen? Oder soll ich sie dir holen und sie dir in die Arme legen?«
»Ich werde es
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