1739 - Justines grausamer Urahn
erfahren. Dafür wird schon der Hotelbesitzer sorgen.« Ich hob die Schultern. »Es wird am besten sein, wenn ich mich zuvor mit Sir James in Verbindung setze. Er könnte einige Wogen glätten.«
»Wie du willst«, meinte Bill.
»Und was machen wir mit Justine?«, fragte Sheila. »So eine Chance bekommen wir nicht wieder.«
»Das stimmt.«
»Dann wird sie hier ihr Ende finden«, erklärte Bill. »Das muss einfach so sein. Denk daran, welches Unheil sie noch anrichten kann. Du hast das Kreuz. Ich glaube nicht, dass sie dieser Kraft widerstehen kann. Aber das musst du wissen.«
Ich drehte mich zu der blonden Bestie um. Sie saß auch jetzt noch auf dem Boden. Den Kopf hatte sie angehoben, um mir ins Gesicht schauen zu können.
Auf einmal war es kinderleicht. Ich musste nur die Waffe ziehen und ihr die Silberkugel in den Kopf schießen. Zudem würde ich mein Kreuz aktivieren, um sie verbrennen zu lassen.
Okay, sie hatte mal auf meiner Seite gestanden. Sie war auch meine Lebensretterin gewesen, aber das hatte sich ausgeglichen, denn auch ich hatte ihr die Existenz gerettet.
Sie ahnte meine Gedanken und fragte mit leiser Stimme: »Denkst du an früher?«
»Kann sein.«
»War eine heiße Zeit, wie?«
»Stimmt, aber sie wird nicht mehr zurückkehren. Wir stehen auf verschiedenen Seiten, und das wird auch so bleiben.«
»Ja, das ist wohl wahr.« Sie wollte das Gespräch nicht weiterführen, drehte sich zur Seite, streckte den Arm aus, um sich abzustützen, und stand auf. Es dauerte. Da war nichts Geschmeidiges mehr an ihr, denn sie bewegte sich wie eine alte Frau. Als sie stand, musste sie sich breitbeinig hinstellen.
»Ich werde jetzt gehen, John.«
»Wohin?«
»Nach draußen. Ich gebe dir Zeit, darüber nachzudenken, wie du mich auslöschen willst.«
»Und weiter?«
Sie zuckte mit den Schultern und setzte sich in Bewegung. Mit kleinen Schritten passierte sie mich. Den Mund hatte sie geschlossen, sodass ihr Gesicht wieder normal wirkte.
Hatte sie aufgegeben?
Alles deutete darauf hin. Justine Cavallo wusste, dass sie verloren hatte. Ich konnte es kaum glauben und schaute nachdenklich auf ihren Rücken.
»Geh ihr nach, John!«, sagte Sheila. »Mach dem Spuk ein Ende. Es ist besser, wenn es auf der Terrasse geschieht als hier im Zimmer.«
»Du hast recht.«
Bill fragte noch: »Hast du dich denn entschlossen, sie zu vernichten?«
Ich gab ihm keine Antwort. Ich war schon innerlich zerrissen. Deshalb behielt ich meine Gedanken für mich.
Durch mein Zögern hatte Justine einen kleinen Vorsprung bekommen. Und das trotz ihrer Schwäche. Sie war schon bis zur Brüstung vorgegangen, während ich noch in der offenen Tür stand. Das Kreuz steckte nicht mehr in der Tasche. Ich hielt es in der linken Faust.
Wir waren beide allein auf der Terrasse. Der Nachtwind blies gegen unsere Gestalten. Er würde der einzige Zeuge des Dramas sein.
Ich hielt nach zwei etwas längeren Schritten an. Justine drehte mir den Rücken zu. Sie wusste, dass ich hinter ihr stand.
»Willst du nicht endlich schießen und dann dein Kreuz nehmen? Ich kann dir nichts tun. Das verdammte Blut dieser Mystikerin hat mich zu sehr geschwächt, und da spiele ich dir nichts vor.«
»Das weiß ich.«
»Dann mach ein Ende!«
»Dreh dich um!«
Sie lachte: »Warum das denn?«
»Ich schieße nur jemandem in den Rücken, wenn es sich um Notwehr handelt. Das ist bei dir ja nicht der Fall.«
»Wie du willst.« Sie bewegte sich noch immer langsam. Das war nicht gespielt.
Dann stand sie vor mir.
Es war nicht völlig finster. Durch das Fenster fiel Licht. Es erfasste zwar nicht den gesamten Bereich der Terrasse, aber der Restschein sorgte dafür, dass ich die Cavallo sah.
»Eines noch«, sagte sie.
»Rede.«
»Ich habe meinen Ahnherrn getroffen.«
»Das stimmt.«
»Weißt du auch, wer sich hinter ihm verbirgt?«
»Ich kann es mir denken. Aber wie ich dich kenne, willst du es mir selbst sagen.«
»Gern, John. Er ist eine Kreatur der Finsternis. Wohl einer der ersten Blutsauger, die erschaffen wurden und die sich nicht so leicht geschlagen geben.«
Die letzten Worte hatten mich misstrauisch werden lassen. Ich wollte sie fragen und erfahren, ob meine Vermutung richtig war, kam aber nicht mehr dazu.
Möglicherweise hatte mich das Kreuz gewarnt, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls gab es noch dunkle Stellen auf der Terrasse, und eine davon war nicht mal weit von mir entfernt.
Aus ihr löste sich ein Schatten. Ich nahm ihn erst wahr, als es zu
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