1739 - Justines grausamer Urahn
gegenüber. Ob sie sich anschauten oder nicht, das sah ich nicht. Sie schienen sich gegenseitig zu belauern.
Ich hatte mir eine Flasche Mineralwasser mit auf die Terrasse genommen. Wir wollten so etwas wie einen Kriegsrat halten. Es musste ja weitergehen, aber wie das geschehen sollte, das war die große Frage. Wir hatten mit der Cavallo und auch mit Serena unsere Probleme. Sie waren keine Personen, mit denen man sich öffentlich zeigen konnte, ohne dass es auffiel.
Sheila hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. »Ich weiß nicht, was Serena damit gemeint hat, als sie immer von dem Bösen sprach, das unterwegs ist. Meinte sie Justine damit?«
Bill und ich warfen uns einen knappen Blick zu. Der Reporter nickte. »Rede du, John.«
Sheila wurde aufmerksam. »Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«
»Ja.«
»Und was?«
Es hatte keinen Sinn, wenn ich ihr die Wahrheit verschwieg. Ich erzählte ihr von der Erscheinung, die ich in der Wand hinter dem Altar der Kirche gesehen hatte. Zudem gab ich ihr noch eine recht genaue Beschreibung.
Sheila runzelte die Stirn. »Sollte sie das gemeint haben?«
»Das ist durchaus möglich«, meinte Bill.
»Aber dann ist das Böse nicht mehr in dieser Kirche, denke ich. Dann ist es unterwegs.« Sie lachte plötzlich. »Obwohl ich mir das nicht vorstellen kann. So wie John dieses Gebilde beschrieben hat, ist es ein – ein – ich weiß auch nicht, wie ich es nennen soll. Ein Geist?«
»Zumindest ein Relikt aus einer tiefen Vergangenheit. Justines Urahn.«
»Das glaube ich nicht.«
Bill mischte sich ein. »Es ist zumindest eine Möglichkeit.«
»Die in der Kirche steckt!«, gab Sheila zu bedenken. »Aber Serena hat davon gesprochen, dass das Böse unterwegs ist. Das ist ganz etwas anderes, finde ich. Dann müsste es sich doch aus der Kirchenwand lösen können, um sich auf den Weg zu machen.«
Bill nickte.
Ich sagte: »Oder eine Botschaft schicken.«
»Und die hat Serena gespürt«, sagte Sheila.
Noch sprachen wir rein theoretisch darüber. Aber wir durften nicht vergessen, dass wir es bei Serena mit einer Mystikerin zu tun hatten. Einem Menschen also, der hinter die Fassade schaute. Der Botschaften erhielt und sie weitergab. Das war bei weltbekannten Frauen dieser Art so gewesen, und warum sollte es hier anders sein?
Mein Blick fiel wieder in das geräumige Zimmer. Dort hatte sich nichts verändert. Justine und Serena saßen sich gegenüber, und keiner dachte daran, sich zu erheben und auf die andere zuzugehen.
»Gut«, sagte ich. »Dann werde ich mich mal näher mit Serena beschäftigen. Kann sein, dass sie jetzt konkreter wird, was das Böse angeht. Dass sie Justine damit gemeint hat, das glaube ich nicht.«
»Du denkst an diesen Vampir in der Wand?«
»Ja, das ist die einzige Möglichkeit.«
»Etwas Urböses«, flüsterte Sheila. »Dann frage ich mich, woher es stammt. Kannst du dazu etwas sagen?«
»Nein, das kann ich nicht. Aber vielleicht hat Serena den Überblick.«
»Dann versuche es«, flüsterte Sheila. »Es muss ja weitergehen. Wir müssen etwas unternehmen.«
Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die beiden Conollys blieben auf der Terrasse zurück. Sie genossen die laue Nacht jedoch nur im Unterbewusstsein. Wäre alles normal gewesen, hätten sie jetzt in den Liegestühlen liegen und den einen oder anderen Drink genießen können.
Ich betrat das Zimmer und wandte mich nach links. Dort saß Serena. Sie hatte den Kopf ein wenig gesenkt und ihre beiden Wangen verschwanden unter den Handflächen.
Als sie mich sah, hob sie den Kopf. Ich lächelte ihr zu und setzte mich in einen Sessel. Es war gut, dass sie mir vertraute, so hatten wir schon eine Basis, auf der wir uns unterhalten konnten. Und ich hoffte stark, dass sie mich einweihte.
»Ich habe gehört, dass du dich fürchtest?«
»Was meinst du damit?«
»Du hast vom Bösen gesprochen, das unterwegs ist. Habe ich da recht?«
»Ja, das hast du. Ich habe es gespürt. Es hat mich aufgewühlt. Ich blutete wieder. Es war schrecklich, und jetzt kann ich nur hoffen, dass ich es im Griff habe.«
»Das würde mich freuen. Aber dieses Böse, das du gespürt hast, hat es etwas mit der Person zu tun, die sich noch hier im Raum befindet?«
»Auch.«
»Und wie soll ich das verstehen?«
»Sie gehört dazu. Sie wollte siegen. Sie wollte mein Blut. Das hat sie sich auch genommen, aber es ist ihr nicht bekommen. Dennoch ist das Böse damit nicht besiegt.«
Ich stellte meine nächste Frage. »Hat es
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